Apotheker, die auf die Absicherung durch berufsständische Versorgungswerke angewiesen sind, stehen vor erheblichen Herausforderungen. Diese Versorgungswerke, die für Berufsgruppen wie Apotheker, Ärzte oder Rechtsanwälte verpflichtend sind, bieten zwar Leistungen im Falle einer Berufsunfähigkeit an. Doch der Zugang zu diesen Leistungen ist häufig durch strenge Regelungen und hohe Hürden erschwert.
Besonders schwierig gestaltet sich für Apotheker der Nachweis einer vollständigen Berufsunfähigkeit. Die Versorgungswerke verlangen in der Regel den Beweis, dass der Betroffene zu 100 Prozent unfähig ist, seinen Beruf auszuüben. Angesichts der vielfältigen Aufgaben eines Apothekers – von der Kundenberatung über die Herstellung von Medikamenten bis hin zum Apothekenmanagement – ist es für die Betroffenen oft eine große Herausforderung, diesen Nachweis zu erbringen. In ihren Satzungen legen die Versorgungswerke die Kriterien für eine Berufsunfähigkeit zudem restriktiv aus. Einige sichern lediglich das Risiko einer „absoluten Existenzvernichtung“ ab, was bedeutet, dass nur in extremen Fällen eine Rente gewährt wird.
Die Rechtsprechung unterstützt diese strenge Auslegung. In einem Urteil wurde entschieden, dass ein Apotheker, der aufgrund physischer oder psychischer Einschränkungen bestimmte Tätigkeiten in der Apotheke nicht mehr ausführen kann, nicht automatisch als berufsunfähig im Sinne der Satzung gilt. Es wird davon ausgegangen, dass der Apotheker auf Tätigkeiten verwiesen werden kann, bei denen seine gesundheitlichen Einschränkungen weniger ins Gewicht fallen, beispielsweise in der Verwaltung oder im wissenschaftlichen Bereich.
Ein weiteres erhebliches Hindernis für den Erhalt einer Berufsunfähigkeitsrente ist die häufig geforderte Aufgabe der Apothekenlizenz. Viele Versorgungswerke verlangen, dass der Apotheker seine Lizenz zurückgibt, bevor eine Rente gewährt wird. Dies bedeutet faktisch das Ende der beruflichen Laufbahn, was für viele Apotheker, die viel Zeit und Geld in ihre Ausbildung und Karriere investiert haben, eine schmerzhafte Entscheidung darstellt.
Besonders prekär ist die Lage für Berufseinsteiger. Einige Versorgungswerke setzen eine Mindestmitgliedschaftszeit voraus, bevor ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente entsteht. Dies bedeutet, dass junge Apotheker in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit ohne die Absicherung durch das Versorgungswerk auskommen müssen.
Die finanzielle Absicherung, die durch eine Berufsunfähigkeitsrente aus den Versorgungswerken gewährt wird, reicht zudem oft nicht aus, um den bisherigen Lebensstandard zu halten. Durchschnittlich liegt die Rente bei etwa 1.800 Euro im Monat. Diese Summe erweist sich für viele Apotheker als unzureichend, insbesondere angesichts der laufenden Kosten für Krankenversicherung und Lebensunterhalt.
Vor diesem Hintergrund wird Apothekern dringend geraten, zusätzliche private Berufsunfähigkeitsversicherungen abzuschließen, um die Lücken in der Absicherung zu schließen und im Falle einer Berufsunfähigkeit ein ausreichendes Einkommen zu gewährleisten.
Die hohen Hürden, die für den Erhalt einer Berufsunfähigkeitsrente aus den berufsständischen Versorgungswerken überwunden werden müssen, werfen kritische Fragen auf. Es bleibt fraglich, ob diese strikten Anforderungen noch zeitgemäß sind und den realen Bedürfnissen der Versicherten entsprechen. Die restriktive Auslegung der Berufsunfähigkeit mag in manchen Fällen gerechtfertigt erscheinen, doch sie lässt diejenigen im Stich, die auf diese Unterstützung angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Kommentar:
Die strengen Anforderungen, die für den Erhalt einer Berufsunfähigkeitsrente aus den berufsständischen Versorgungswerken erfüllt werden müssen, werfen ernsthafte Zweifel an der Fairness und Angemessenheit des bestehenden Systems auf. Es ist unbestreitbar, dass die Versorgungswerke ihre finanziellen Mittel schützen müssen. Doch die Praxis, den Zugang zu Leistungen so restriktiv zu gestalten, dass er für viele Mitglieder faktisch unerreichbar ist, geht am Ziel einer sozialen Absicherung vorbei.
Besonders die Regelung, die Rückgabe der Apothekenlizenz zur Bedingung für den Erhalt einer Rente zu machen, erscheint übermäßig hart und wenig durchdacht. Diese Anforderung zwingt betroffene Apotheker dazu, einen endgültigen Bruch mit ihrem Beruf zu vollziehen, was nicht nur psychologisch belastend ist, sondern auch die gesellschaftlichen Ressourcen verschwendet, die in die Ausbildung dieser Fachkräfte geflossen sind.
Auch die fehlende Absicherung für Berufseinsteiger ist ein schwerwiegendes Problem. In einer Phase, in der junge Apotheker ohnehin mit zahlreichen Unsicherheiten konfrontiert sind, sollten sie nicht zusätzlich dem Risiko ausgesetzt sein, bei Berufsunfähigkeit ohne jede Unterstützung dazustehen.
Es ist an der Zeit, die Regelungen zur Berufsunfähigkeitsrente in den berufsständischen Versorgungswerken zu überdenken und an die realen Bedürfnisse der Versicherten anzupassen. Die Kriterien für die Berufsunfähigkeit müssen gelockert und der Zugang zu den Leistungen erleichtert werden. Zudem sollten alternative Tätigkeitsfelder innerhalb des Berufs stärker berücksichtigt werden, anstatt die Rückgabe der Lizenz zu erzwingen.
Die Mitglieder der Versorgungswerke verdienen eine Absicherung, die nicht nur auf dem Papier existiert, sondern im Ernstfall auch greift. Es liegt in der Verantwortung der Versorgungswerke und der Politik, die entsprechenden Reformen in die Wege zu leiten und damit ein soziales Sicherungssystem zu schaffen, das den realen Herausforderungen und Risiken des Berufslebens gerecht wird.
Von Engin Günder, Fachjournalist