„Leider unternehmen die deutschen Firmen immer noch zu wenig, um eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern“, stellt Dr. Martin Sonnenschein, Managing Director Central Europe bei A.T. Kearney fest und erklärt weiter: „Lediglich acht Prozent der von uns befragten Frauen sind der Meinung, dass ihr Betrieb alle dafür wesentlichen Leistungen bereithält. Das ist eindeutig zu wenig.“ Bei den Männern fühlen sich nur 13 Prozent von ihren Unternehmen ausreichend unterstützt, um Zeit für ihre Familien zu finden. Die überwiegende Mehrheit der Befragten (83 Prozent) ist der Überzeugung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihrem Unternehmen sei keine Selbstverständlichkeit.
Nach Branchen aufgeteilt findet diese Aussage in der Automobilindustrie bei 17 Prozent der Beschäftigten Zustimmung – der zweithöchste Wert nach dem Dienstleistungsgewerbe (21 Prozent). Die Frage, ob ihr Unternehmen großen Wert auf die Schulung der Führungskräfte im Hinblick auf besondere Bedürfnisse von Beschäftigten mit Familie lege, beantworteten 20 Prozent der Automobilwerker mit „Ja“ - das beste Ergebnis in dieser Rubrik. Vorgesetzte, die beim Thema Familienfreundlichkeit „mit gutem Beispiel vorangehen“, sind nach den Ergebnissen der A.T. Kearney-Studie ebenfalls am häufigsten in der Dienstleistungs- und Automobilindustrie zu finden. Der Aussage: „Mein Betrieb unterstützt aktiv, dass Väter ausreichend Zeit für ihre Familien haben“, stimmen im Automobilbau 20 Prozent der Befragten zu. In der Bauindustrie sind es nur vier Prozent.
„Unter Teilzeitbeschäftigten genießen Automobilunternehmen den besten Ruf. Vor allem wegen der guten Löhne und Gehälter. Allerdings haben die Beschäftigten dort auch das Gefühl sie müssten mehr Arbeitsstunden leisten, als vereinbart sind“, so Zentraleuropa-Chef Martin Sonnenschein. Besonders große Unternehmen sind in Deutschland der Karrieretod für Teilzeitbeschäftigte. Nur elf Prozent der Mitarbeiter in Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten geben an, das Weiterkommen im Betrieb werde durch ihre Teilzeitbeschäftigung nicht beeinträchtigt. Am besten schneiden bei dieser Frage kleine Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten ab. Dort glaubt fast jeder zweite Mitarbeiter (44 Prozent), Teilzeit sei kein Nachteil für mehr Verantwortung und höheres Gehalt.
Allgemein bescheinigt die A.T. Kearney-Untersuchung Betrieben mit unter 100 und mehr als 5.000 Beschäftigten eine familienfreundliche Unternehmenskultur. Am wenigsten trifft dies auf mittelständische Firmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern zu. Große Unternehmen bieten am häufigsten betriebseigene Kinderbetreuung und sind auch bei Wiedereingliederungshilfen nach Elternzeiten spitze. Am meisten zeigen kleine Unternehmen laut A.T. Kearney Verständnis für die besonderen Belange und Bedürfnisse von Familien. Sie punkten vor allem mit Job Sharing-Angeboten, Teilzeitmodellen und der Möglichkeit von Heimarbeit. Jedoch ruft dort – wie auch in großen Unternehmen – der Druck am Arbeitsplatz die meisten Ängste bei der Inanspruchnahme familienfreundlicher Leistungen hervor. Dies gilt in besonderem Maß für die Konsumgüter- und Bauindustrie sowie für die Landwirtschaft.
Generell klaffen in den Unternehmen beim Thema Familienfreundlichkeit jedoch Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Zwar stimmen je nach Betriebsgröße zwischen 38 und 49 Prozent der Beschäftigten der Aussage zu, „mein Arbeitgeber legt sehr großen Wert auf ein arbeitnehmerfreundliches Image“. Doch höchstens für 19 Prozent ist die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf „in unserem Betrieb eine Selbstverständlichkeit“. Die besten Werte erzielen dabei wiederum die Dienstleistungsbranche (24 Prozent) sowie der Automobilbau (21Prozent). Am schlechtesten schneidet die Bauindustrie ab (nur acht Prozent).
An der Studie sind das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, das Infas Institut für angewandte Sozialforschung sowie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit beteiligt.