"Mehr Freiraum für Innovationen"
Reinhard Prechler, Leiter der Entwicklung Bordnetze, EMV und Antennen bei der Audi AG, gab einen Einblick in seine Vorstellung vom Bordnetz der Zukunft. "Bordnetze sind das Fundament für stabile und zuverlässige E-Technik im Automobil, aber sie sind auch ein sehr heterogenes Gebilde", erklärte er. Neben der steigenden Zahl von Modell-Derivaten beinhaltet der kundenspezifische Kabelstrang (KSK) eine gigantische Variantenvielfalt, die die Bordnetzplaner im Griff haben müssen. Die bessere Vernetzung von Prozessen und Methoden sieht Prechler als eine Lösung, ebenso wie die bereits erfolgte Konsolidierung der Zuliefererzahl. Mehr Überblick brächte mehr Projektsicherheit, "das schafft uns mehr Freiraum für Innovationen", sagte Prechler, der zudem auf eine intensivere Zusammenarbeit zwischen OEM, Zulieferern und externen Dienstleistern setzt.
"Herren der Modulvielfalt"
Bei MAN Trucks & Buses bedeuten 6,8 km Bordnetz mit rund 160 Kg in einem Bus eine gewichtige Herausforderung für die Planer. Der hohe Individualitätsgrad der Busprojekte ergab früher eine enorme Kabelstrang-Vielfalt. Hier erreichte die Einführung des KSK eine Reduzierung der Kabelstränge pro Auftrag von rund 180 auf ca. 70. "Mit dem KSK haben wir mehr Überblick und bei Änderungen ist die Zuordnung der Kabelmodule zum Strang viel leichter nachvollziehbar", erklärte Herbert Schäfer, Leiter Entwicklung Electric/Electronic Systems Bus & Coach - Body bei MAN. Bei Änderungen des Montageauftrags nach der Konfektionärs-Beauftragung fordere der KSK die Planer allerdings besonders heraus, meinte er. Mit dem Wechsel zum KSK sei zudem eine sehr hohe Dokumentationsdisziplin notwendig geworden. "Die zentrale Verwaltung muss Herr der Modulvielfalt sein!"
"In Fertigungsmodulen denken"
Die Sicht der Kabelbaum-Hersteller machte Lothar Schilling von der PKC Segu Systemelektrik GmbH deutlich. Der technische Leiter Deutschland der finnischen PKC Group zeigte auf, dass bei der Planung der Bordnetze durch die OEMs die fertigungstechnischen Gesichtspunkte kaum berücksichtigt werden. "Vom Kunden bekommen wir funktionsorientierte Unterlagen. Aber wir müssen in Fertigungsmodulen denken", sagte er. Mancher Änderungsbedarf würde durch die OEM-geprägten Daten oft erst beim Fertigen bemerkt. "Der Prozess bedarf einer deutlich verbesserten Kommunikation von OEM bis Hersteller und eines hochtransparenten Änderungsmanagements", so Schilling.
Der KSK bedeutet für die Fertiger eine weitere Herausforderung: viel weniger Routinearbeit mit höheren Anforderungen an Logistik und Planung. "Es gibt toolgestützt deutliche Optimierungsmöglichkeiten, die uns nicht nur Zeit, sondern auch Material sparen", sagte Schilling, der gleichzeitig mehr Integration aller Beteiligten in die Prozesse forderte.
Der richtige Weg
Die vorgestellten Anforderungen waren für die Software-Entwickler von Aucotec ein wichtiger Hinweis, auf dem richtigen Weg zu sein. Produktmanager Reinhard Knapp stellte mit der datenbankbasierten Plattform Engineering Base eine Lösungsmöglichkeit vor, die alle Informationen, Änderungen und Beziehungen für jeden Beteiligten zu jeder Zeit bereit hält und deren Modellqualität berechenbar ist, so dass Kontrollen schon in der Planung greifen. Knapp erläuterte außerdem, dass das System den Fertigern die Möglichkeit bietet, die Daten der OEMs schnell und konsistent in ihre eigene Modulwelt zu übernehmen.
"Standardisieren statt abpinseln"
In den Pausen tauschten Redner und Gäste in kleineren Gruppen ihre Erfahrungen aus. "Wir müssen heute oft noch Zeichnungen 'abpinseln'. Dass man das nicht nur sparen kann, sondern auch die gesamte Logik automatisch mitgeliefert bekommt, vereinfacht die Arbeit wesentlich", so ein Teilnehmer aus dem Fertigungsbereich. Zum Änderungsmanagement meinte ein weiterer Bordnetz-Hersteller: "Ich sehe hier tatsächlich die gemeinsame Datenbank als einzigen Ausweg."
"Es passt zu unserer Qualitätsoffensive, wenn die Daten standardisiert und fertigungsrelevant beim Hersteller landen, ohne fehleranfällige und verzögernde Handarbeit", meinte der Experte eines Sportwagen-Herstellers. Und schließlich brachte ein Teilnehmer, der Engineering-Dienstleistungen sowohl für Fahrzeug- als auch für Bordnetz-Hersteller anbietet, den Tag so auf den Punkt: "Heute habe ich gesehen, wie sich effizient eine Brücke zwischen beiden Seiten schlagen lässt. Darin steckt viel Potenzial für mehr Effizienz und Qualität."