Allerdings entstünden dadurch für Webseiten-Betreiber neue Herausforderungen und Risiken, die sie nicht im Handumdrehen lösen könnten. „Wir setzen darauf, dass die Aufsichtsbehörden wie in der Vergangenheit mit Augenmaß reagieren und zunächst über die Auswirkungen aufklären“, sagte Loser. Zwar leiste das Urteil einen Beitrag, Plattformen wie Facebook zum Einlenken beim Datenschutz zu bringen. „Gleichwohl sollte die Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der Nutzer ausgetragen werden, nur weil nicht in ausreichendem Maß gegen die Anbieter vorgegangen werden kann.“
Der EuGH hatte am Dienstag entschieden, dass die Betreiber sogenannter Facebook-Fanpages gemeinsam mit Facebook selbst für die von dem sozialen Dienst gesammelten Daten der Fanpage-Besucher verantwortlich sind. Die Betreiber der Seiten sind laut Gericht an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten beteiligt. Unter anderem könnten die Fanpage-Betreiber Daten über den Lebensstil und die Interessen der jeweiligen Zielgruppe, über das Online-Kaufverhalten von Seiten-Besuchern und geografische Daten erhalten. Diese Informationen könnten die Seitenbetreiber für spezielle Werbeaktionen oder für Veranstaltungen nutzen.
„In der Praxis wird das dazu führen, dass viele Unternehmen und Selbständige ihre Fanpages - jedenfalls zunächst - schließen und die Reaktion von Facebook abwarten“, schätzt Loser. Auch werde das Urteil Auswirkungen auf Tracking-Tools und sogenannte Social Plugins haben, die viele Betreiber von Internet-Webseiten einsetzen. „Insgesamt hat die Entscheidung das Potenzial, eine massive Veränderung bei der Nutzung von Analyse-Tools im Internet zu bewirken. Das hat Schatten und Licht. Der Schutz der betroffenen Personen wird verbessert, aber die Nutzer solcher Anwendungen vor nicht leicht und schnell lösbare Herausforderungen gestellt.“
Auslöser für die Entscheidung des EuGH war eine Anordnung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) im November 2011 gegen die private Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein. Das Bildungsunternehmen sollte seine Facebook-Fanpage deaktivieren, weil die Besucher der Seite nicht darüber informiert wurden, dass Facebook ihre personenbezogenen Daten, ihr Surfverhalten und ihre Interessen per Cookies als „verhaltensbezogenes Webtracking“ sammelt.
Dagegen klagte die Wirtschaftsakademie zunächst vor dem Verwaltungsgericht, dann vor dem Oberverwaltungsgericht. Daraufhin zog das ULD vor das Bundesverwaltungsgericht, das den Fall an den EuGH überwies. Die Richter befanden jetzt zudem, dass die ULD nicht nur gegen die Wirtschaftsakademie vorgehen konnte, sondern auch gegenüber Facebook Germany tätig werden kann.