Die Bundesregierung will digitale Innovationen sowie unternehmerische und gesellschaftliche Initiative fördern. Sie setzt dabei auf offene Standards und Diversität. Dadurch will sie Digitalkompetenzen, Grundrechte, Selbstbestimmung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern und strebt dafür eine engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation aller Ebenen an. Diese Ziele hat die Bundesregierung explizit im Koalitionsvertrag festgehalten.
Der Didacta Verband nimmt dieses Kooperationsgebot auf und lädt die Entscheiderinnen und Entscheider ein, gemeinsam die Entwicklungen der letzten Monate kritisch zu bewerten und Schritte zu einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Bildungszusammenarbeit einzuleiten. Die Bildungswirtschaft wird sich mit ihrer Expertise entschieden dafür einsetzen. Denn sie ist davon überzeugt, dass die gesetzten Ziele nur durch eine faire, konstruktive Zusammenarbeit erreicht werden. Dabei ist es aus ihrer Sicht entscheidend, dass die Beteiligten klare Zuständigkeiten einhalten, in deren Rahmen sie handeln.
Mit Sorge betrachtet der Didacta Verband daher, dass sich der Bund und einzelne Bundesländer in jüngerer Vergangenheit als Wirtschaftsteilnehmer in rein technischen Bereichen des Bildungswesens beteiligt haben, die weit über ihre anerkannte Hoheit für die Bildungsinhalte hinausgehen. Diese Markteingriffe gefährden eine in die Zukunft gerichtete Digitalisierung des gesamten Bildungssystems, sie schwächen die mittelständische Bildungs- und Digitalwirtschaft in Deutschland und erschweren den Aufholprozess Deutschlands zu anderen EU-Ländern im Bereich der digitalen Bildung.
Deshalb fordern die Unternehmen der Bildungswirtschaft, die im Didacta Verband organisiert sind, von Bund und Ländern:
- einen umfassenden Dialog über die nachhaltige und verlässliche Bildungszusammenarbeit,
- eine Einigung über die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, die der Komplexität von föderalen Schulstrukturen und individuellen Schulformen Raum lassen,
- die strikte Einhaltung dieser Rahmenbedingungen im Sinne eines vielfältigen digitalen Angebots, d.h. auch die Reduzierung der staatlichen Eingriffe bei Aufbau und Einsatz der digitalen Infrastruktur,
- die umfängliche Einforderung und Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO),
- den schnellen Bürokratieabbau sowie vereinfachte Fördermöglichkeiten,
- die Stärkung des Mittelstandes als Akteur, der Innovationen fördert und umsetzt.
Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung des deutschen Bildungssystems, insbesondere der Schulen, beschleunigt. Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern mussten sich zu Beginn der Corona-Krise mit den pädagogischen Anforderungen des Distanzunterrichts vertraut machen und sich den Umgang mit der technischen Ausstattung und den digitalen Anwendungen aneignen. Die mittelständisch geprägte Bildungswirtschaft hat sie dabei tatkräftig und unbürokratisch unterstützt. Innerhalb von wenigen Wochen hat sie rund 12 Millionen Schülerinnen und Schüler und rund 40.000 Schulen in die Lage versetzt, ihrem Bildungsauftrag weiter nachzukommen. Die Bildungswirtschaft hat Schulen kurzfristig ausgestattet, an IT-Systeme angebunden und passgenau beraten. Sie hat Anwendungen und Inhalte zur Verfügung gestellt, häufig digital und temporär sogar kostenfrei. Darüber hinaus hat sie Kapazitäten ausgebaut und eine Vielfalt von zusätzlichen Materialen erstellt.
Vor diesem Hintergrund entscheiden sich immer mehr Schulen für die Zusammenarbeit mit etablierten Anbietern der deutschen Bildungswirtschaft, die auf datenschutzkonforme Lösungen setzen. Diese Anbieter ermöglichen digital gestützten (Distanz-)Unterricht und eine effiziente Planung des Schulalltags. Sie garantieren den notwendigen technischen Support. Dabei beraten sie die Schulen dahingehend, die Lösung auszuwählen, die am besten zu ihren in den jeweiligen Medienbildungskonzepten und Medienentwicklungsplänen definierten Anforderungen und Strategien passt.
Die kurzfristigen Reaktionszeiten und das spezifische Wissen der Anbieter tragen zu einer vertrauensvollen, konstruktiven und zielgerichteten Zusammenarbeit im Sinne der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte bei, die sich so auf den Unterricht konzentrieren können. Die Infrastruktur für die digitale Schule verbessert sich mit Hilfe des Mittelstands stetig und Innovationen werden gefördert.
Was wir kritisieren
Insbesondere auf Landesebene entstehen im Moment unterschiedlichste öffentliche Lösungen für die digitale schulische Infrastruktur, die zudem mit einem vermeintlichen „Kostenlosversprechen“ eingeführt werden.
Dabei zeigt sich in der Praxis: Zahlreiche staatliche Monopolangebote werden den komplexen Anforderungen der pädagogischen Praxis nicht ausreichend gerecht und bieten nur einen Teil des notwendigen Leistungsumfangs. Zudem fehlen Fachkräfte für den technischen Support, für die Betreuung und Wartung von Netzwerken, für die kompetente Implementation von Hard- und Software und für geeignete Schulungen. So entsteht in vielen Bildungseinrichtungen ein erheblicher Mehraufwand, weil Fach- und Lehrkräfte Aufgaben fachfremd übernehmen müssen. Dies ist sowohl quantitativ als auch qualitativ nicht im Sinne einer nachhaltigen Schulentwicklung und Mittelverwendung.
Die mittelständischen Unternehmen haben bewiesen, dass sie auf die Anforderungen der Schulen flexibel und passgenau reagieren können. Schulen sollen ihrem Bildungsauftrag nachkommen und sich nicht mit IT-Verwaltung beschäftigen müssen.
Bund und Länder sind keine Wirtschaftsteilnehmer!
Staatliche Monopolangebote nehmen Bildungseinrichtungen die Freiheit, die für sie geeignete IT-Lösung einzusetzen. Dies geschieht im Moment
- in Niedersachen, Brandenburg und Thüringen mit „dBildungscloud“ (ehemals HPI Cloud),
- in Baden-Württemberg mit „ella“,
- in Nordrhein-Westfalen mit „Logineo“ und
- in Bayern mit „mebis“.
Schon auf kommunaler Ebene gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Schulformen und -typen. Eine übergeordnete staatliche Lösung – sei sie nun auf Bundes- oder Landesebene verortet – kann weder der Diversität noch der Komplexität im Sinne der Schulen dienen. Innovative Lösungen, die sich an die unterschiedlichsten Schulformen schnell und flexibel anpassen lassen, können nur entstehen, wenn die Anbieter im permanenten Austausch mit den Bildungseinrichtungen stehen und untereinander in marktwirtschaftlicher Konkurrenz um die beste Lösung ringen.
Deshalb müssen die Schulen die Anbieter frei wählen dürfen. Das wirkt sich in der Regel auch positiv auf die Kosten aus – ein Effekt, der selten erreicht wird, wenn Ausschreibungen nicht ausreichend differenziert und zu stark am Preis orientiert sind.