- Impfstoff-Hoffnungen haben kaum Einfluss auf die Bauzinsen
- EZB setzt klare Signale für weitere Maßnahmen
- USA: Was die Wahl von Joe Biden für Europa bedeutet
- Bestzins für 10-jährige Hypothekendarlehen: 0,41 Prozent (Stand: 17.11.2020)
Am vergangenen Montag vermeldeten die Mainzer Pharmafirma BioNtech und ihr US-Partner Pfizer einen Durchbruch bei der Impfstoff-Entwicklung und sorgten damit für ein weltweites Kursfeuerwerk an den Börsen. Der Dax erlebte einen der stärksten Anstiege der letzten 50 Jahre. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe hatte Anfang November mit -0,64 Prozent zunächst den tiefsten Stand seit Mitte März erreicht. Nach der Impfstoffmeldung stieg die Rendite kurzfristig auf -0,48 Prozent. Sie sank jedoch nur wenige Tage später genauso schnell wieder ab. „Auf die Bauzinsen hat dieser leichte und zeitlich begrenzte Anstieg kaum Auswirkungen“, erklärt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein. „Der minimale Zinsanstieg nach der BioNtech-Meldung hat sich bereits wieder relativiert.“
Die Bauzinsen verharren weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Ein Aufwärtstrend ist nicht zu erkennen. Der Bestzins für 10-jährige Hypothekendarlehen liegt unverändert bei 0,41 Prozent und auch längere Zinsbindungen bleiben mit 0,65 Prozent (15 Jahre) und 0,92 Prozent (20 Jahre) günstig.
Corona-Winter: EZB bereit für weitere Maßnahmen
Anleger, die nach der Impfstoff-Meldung auf eine rasche Erholung der Wirtschaft oder gar einen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik spekuliert hatten, wurden spätestens auf der internationalen Notenbank-Konferenz am 11. und 12. November enttäuscht. EZB-Präsidentin Christina Lagarde warnte vor einer erneuten Rezession in den EU-Staaten. Niemand wisse, wie viele Infektionswellen die Welt bis zur allgemeinen Verbreitung des Impfstoffes noch überstehen müsse. Der Zins-Experte Neumann geht davon aus, dass die EZB auch im kommenden Jahr massiv in die Märkte eingreifen und das Zinsniveau niedrig halten wird: „Die Verfügbarkeit eines Impfstoffes hatten die Währungshüter für 2021 ohnehin einkalkuliert. Positive Meldungen von BioNTech und Moderna haben daher kaum Auswirkungen auf die geldpolitischen Entscheidungen der EZB. Viele Fragen zur Verfügbarkeit und Verteilung des Impfstoffes sind zudem ungeklärt, die Unsicherheit bleibt hoch.“
Michael Neumann hält es für wahrscheinlich, dass die EZB sich auf ihrer Dezember-Sitzung deutlich zu weiteren Maßnahmen positionieren wird: „Die Währungshüter werden alles tun, um sich gegen die Corona-Krise zu stemmen und möglicherweise bereits die Ausweitung des Notfallprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) beschließen. Selbst wenn ein Ende der Pandemie abzusehen ist, bleibt es dabei, dass sich viele Staaten aufgrund ihrer Rekordschuldenstände deutlich höhere Zinsen kaum leisten können. Ein abrupter Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik ist so gut wie ausgeschlossen.“
US-Wahl: Das ändert sich unter Präsident Biden
Eins ist klar: Mit der Abwahl Donald Trumps wird im Januar 2021 ein Protektionist das Weiße Haus verlassen, der den internationalen Handelsbeziehungen während seiner Amtszeit schwere Schäden zugefügt hat. Wie sich die Situation unter Joe Biden verändert und ob sich die transatlantischen Beziehungen wieder erholen, ist allerdings unklar. Auch Biden dürfte mit seiner „buy american“-Parole eine harte Handelsstrategie verfolgen. Michael Neumann sieht dennoch klare Vorteile für die EU: „Auch unter Biden gilt sehr wahrscheinlich weiterhin ‚America first‘, doch der Umgangston wird wieder partnerschaftlicher werden und die USA dürften sich unter Biden an internationale Handelsgesetze halten.“ Hinzu kommt, dass der Ausgang der US-Wahl indirekt auch den Brexit-Ausgang positiv beeinflussen könnte: „Ein ungeregelter Brexit ist nun unwahrscheinlicher geworden, da Boris Johnson die Rückendeckung Donald Trumps fehlt. Joe Biden hat sich bereits klar gegen einen ‚No-Deal-Brexit‘ positioniert.“
Wie es unter Biden tatsächlich weitergeht, hängt allerdings auch noch von den Mehrheitsverhältnissen im Senat ab, die sich erst in der Stichwahl entscheiden werden. Sollte die republikanische Mehrheit im Senat erhalten bleiben, hätte Biden enorme Schwierigkeiten, seine Gesetzesvorhaben durchzubringen. „Eine Senatsmehrheit der Demokraten würde das Regieren für Biden erleichtern. Dann wäre unter anderem ein erneutes Konjunkturpaket leichter umzusetzen. Ich gehe in jedem Fall davon aus, dass Biden der US-Wirtschaft unter die Arme greifen wird, bis die Arbeitslosigkeit wieder nahe dem Vorkrisenniveau angekommen ist. Von einer Erholung der US-Wirtschaft würden auch Europa und vor allem die Exportnation Deutschland profitieren. Die USA sind für Deutschland nach wie vor einer der wichtigsten Absatzmärkte.“
Kurzfristig: steigende Volatilität möglich
Mittelfristig: schwankend seitwärts auf niedrigem Niveau