Ein wichtiges Thema für das Unternehmen, das bereits seit 95 Jahren am Markt besteht, ist die Nachhaltigkeit. „Stahl kann man ohne Qualitätsverluste immer wieder einschmelzen“, erklärt Jens Pott, Fertigungsleiter Oberfläche bei C+P. In Deutschland werde inzwischen knapp die Hälfte des Stahls aus diesem Sekundärrohstoff hergestellt. Das senke den Energiebedarf bei der Produktion – und somit auch die CO2-Emissionen. Damit die Stahlmöbel dauerhaft beständig bleiben, ist der Korrosionsschutz bei C+P ein großes Thema. Das betrifft zwar weniger Einrichtungslösungen für Büroräume, umso mehr aber Spinde und Schließfächer für Schwimmbäder, Möbel, die auf dem Seeweg ins Ausland transportiert werden, oder solche, die in Wüstenstaaten wie Dubai im Außenbereich genutzt werden.
Den Auftrag angenommen
Vorbehandelt werden die Stahlbauteile mit einer Eisenphosphatierung. An den Standorten Thüringen und Hessen erfolgt danach eine ATL-Tauchlackierung, die – anders als gemeinhin üblich – bei C+P keine Grundierung, sondern eine Finishlackierung ist. Der Standardton ist RAL 7035, also Lichtgrau; alle weiteren Farben sind per Pulverbeschichtung möglich.
Über mehrere Jahre setzte C+P auf ein lösemittelbasiertes ATL-System von FreiLacke. Doch den Entscheidern war es wichtig, die Emissionen möglichst komplett herunterzufahren und damit behördlichen Auflagen auch in Zukunft gerecht zu werden. Wie Jens Pott berichtet, sei man auf FreiLacke zugegangen, habe die Wünsche geäußert und die Möglichkeiten gemeinsam ausgelotet. Der Schwarzwälder Lackspezialist nahm den Auftrag an, machte sich ans Werk und konnte nach nur wenigen Monaten die ersten Ergebnisse vorlegen: Herausgekommen ist ein VOC-freies Produkt, der FREIOTHERM-ATL-EcoOne, ein 2K-System ohne kennzeichnungspflichtige Löse- und Neutralisationsmittel. „Das ist der Vorteil eines Familienunternehmens: Hier sind noch echte Serviceleistungen möglich, die man andernorts vergeblich sucht“, sagt der Fertigungsleiter zufrieden.
Praxistest offenbart Kühlungsbedarf
Bereits seit den 1960er-Jahren beschäftigt sich FreiLacke mit der Entwicklung und Anwendung von Lacksystemen für Elektrotauchlackierverfahren. Das jüngste Kind in der ETL-Familie ist das neue anodische Zweikomponentensystem ohne VOC-relevantem Löse- und Neutralisationsmittel in der Pastenmischung, das weltweit bislang einzigartig ist. „Hier steht dem Anwender ein System zur Verfügung, das alle Eigenschaften einer anodischen Einschichtlackierung aufweist, wie zum Beispiel Schichtdicken bis 45 μm, Vergilbungsstabilität und sehr gute Umgriffeigenschaften“, sagt Andreas Segin, der bei FreiLacke die Entwicklung der Elektrotauchlacke leitet.
Nachdem die Entwicklung von „EcoOne“ soweit abgeschlossen war, führte der Hersteller rund ein Jahr lang verschiedene Laborversuche durch, um das System auf Herz und Nieren zu prüfen. Anschließend galt es, die im Labormaßstab entwickelte Rezeptur in die Praxis umzusetzen: Im ETL-Technikum bei FreiLacke wurde ein Vier-Kubikmeter-Becken mit EcoOne befüllt und abgeprüft. „Hier zeigten sich einige Herausforderungen für die Praxis: So ist das neue System zum Beispiel empfindlicher im Vergleich zu lösemittelbasierten Systemen, was den Wärmeeintrag durch Pumpen und das Abscheiden betrifft. Also ist eine ausreichende Kühlung des Badmaterials unerlässlich. Das ist eine wichtige Erkenntnis für uns, da dieser Effekt in den Laborversuchen nicht aufgetreten ist!“, erinnert sich Segin.
Technikumsbecken auf Reisen
Im April 2019 ging das Technikumsbecken zusammen mit dem Badmaterial auf die Reise nach Nordhessen zum C+P-Werk in Breidenbach – aufgrund seiner beachtlichen Größe eine wahre logistische Herausforderung, so Segin. In Breidenbach wurden darin zunächst einzelne Musterteile beschichtet. Sie liefen durch die Eisenphosphatierung der bestehenden Anlage, wurden mittels Stapler ins Technikumsbecken getaucht, nach dem Anlegen von Gleichstrom wieder ausgetaucht, mit UF und VE-Wasser gespült und abschließend im Anlagenofen eingebrannt. „Alles hat gepasst“, fasst Jens Pott die Ergebnisse kurz und knapp zusammen, von Salzsprühtests, der Überlackierbarkeit bis hin zu Abriebfestigkeit und Biegetest. Aufgrund der sehr guten Ergebnisse setzte sich der Fertigungsleiter mit seiner Geschäftsleitung zusammen, gemeinsam wurde die Entscheidung für die Umstellung auf das neue System getroffen.
Verschwindend geringer Ausschuss
Und so startete in Breidenbach Anfang Oktober 2019 die große Umstellung: Das alte Becken, das 69.000 l fasst, wurde abgepumpt, der Inhalt ordnungsgemäß entsorgt und gereinigt. Es folgten kleinere Reparaturen und schließlich die Neubefüllung, die aufgrund des hohen Volumens ganze zwölf Stunden in Anspruch nahm. Vor Inbetriebnahme galt es noch die Badtemperatur auf 25 °C anzuheben.
„Als die Serienfertigung mit „EcoOne“ begann, waren wir vom Ergebnis positiv überrascht“, sagt Pott. „Eigentlich hatten wir wenigstens mit kleineren Problemen gerechnet, aber der Ausschuss war verschwindend gering, der Umgriff so viel besser als erwartet, ebenso wie der Schichtdickenaufbau!“ In den ersten Wochen wurde das Becken dann noch weiter „eingefahren“, die ATL-Paste immer wieder nachjustiert. „Das Becken ist nun einmal deutlich größer als das Probebecken, sodass andere Spannungen möglich sind, und die Geometrien der Bauteile variieren schließlich auch“, erläutert Segin das Vorgehen.
„Wenn man individuelle Lösungen sucht, ist man bei FreiLacke sehr gut aufgehoben“, so der O-Ton von Jens Pott. Der Schwarzwälder Hersteller gehe gern mal andere Wege, entwickele immer neu, sei sehr innovativ und bestens aufgestellt. „Nicht von ungefähr währt unsere Zusammenarbeit schon Jahrzehnte!“, so Pott.
Aufgrund der sehr guten Resultate in Breidenbach wurde im November 2019 auch am Standort Gotha das Becken, das rund 74.000 l fasst, auf „EcoOne“ umgestellt.