Die Schlagworte Demografie und Digitalisierung beherrschen die öffentliche Diskussion. Die Demenz steht hier stellvertretend für das Altern allgemein und das Wohnen und Leben älterer Generationen. Die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche bietet nicht nur viele Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen, die den Alltag leichter machen sollen, sondern verändert auch die Wertschöpfungsprozesse in den Handwerksunternehmen und erfordert eine Anpassung der Geschäftsmodelle.
Mit einem Workshop zu "Marktchancen des demografischen Wandels: Dienstleistungen des Handwerks für das Übermorgen" am vergangenen Dienstag und einem Workshop zur "Digitalisierung / Building Information Modeling (BIM)" am heutigen Donnerstag findet die Veranstaltungsreihe des landesweiten Projektes "Dialog und Perspektive Handwerk 2025" zunächst seinen Abschluss. Knapp 30 Unternehmer und Unternehmerinnen aus den zuvor genannten Handwerksbranchen diskutierten mit Wissenschaftlern und Vertretern des baden-württembergischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau über die künftigen Herausforderungen und Chancen für ihre Unternehmen.
Mit dem LebensPhasenHaus in Tübingen hatte der Demografie-Workshop einen passenden Rahmen gefunden. Bei einer Führung durch das Musterhaus durch Markus Trämer von der Universität Tübingen erhielten die Teilnehmer erste Impulse zu barrierefreien Wohn- und Freiraumkonzepten für die anschließenden Gesprächsrunden. Nach Ansicht von Hauptgeschäftsführer Andreas Bek vom Fachverband Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg müssen sich die E-Handwerksunternehmen darauf einstellen, dass es zukünftig einfache, niederschwellige aber auch komplexe Assistenzsysteme und Dienstleistungen für barrierefreies Wohnen älterer Menschen geben wird.
Die notwendigen digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien, möglichst einfache Steuerungsoberflächen ergänzt um komplexe, intelligente Vernetzungen gebäudetechnischer Systeme untereinander werden in allen Neubauten bereits alltäglich und dennoch sehr kundenindividuell eingebaut sein. Diese Technologien auch in bestehende Wohngebäude und Pflegeeinrichtungen zu integrieren, stellt eine besondere Herausforderung dar. "Der Austausch der Unternehmen über Gewerkegrenzen hinweg ist deshalb ein wichtiger Aspekt", so Bek, "denn mit den Erfahrungen und dem Know-How in den Unternehmen und bei den Handwerksorganisationen kann auch die Zukunft ge(M)eistert werden."
"Es braucht für neue Dienstleistungen wohl auch eine erweiterte Form der Beratungskompetenz. Über Krankheit und Einschränkungen muss gesprochen werden, ohne sie zu erwähnen. Man muss Zeit mitbringen und zuhören können." fasst Rainer Gall vom Landesfachverband Schreinerhandwerk Baden- Württemberg ein Ergebnis des Workshops zusammen. Sehr viele Themen des Wohnens können dann besser umgesetzt werden, wenn mit anderen Gewerken kooperiert wird. Von dem her ist dieser Workshop in Zusammenarbeit mehrerer Fachverbände entstanden.
"Es braucht auch eine erweiterte Planungskompetenz. Mit dem Umsetzen von DIN-Normen erfüllen wir Vorgaben, schaffen aber kaum eine Wohlfühl-Welt Zuhause. Und die brauchen wir, wollen doch die meisten Menschen in ihrer Wohnung länger leben bleiben." betont Michael Ehle vom gleichnamigen Schreinereiunternehmen.
Vorsitzender Joachim Butz vom Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden- Württemberg verwies auf die zukünftige enorme Herausforderung, da bis zum Jahr 2020 mit einem Bedarf von rund drei Millionen barrierefreien Wohnungen gerechnet wird. Dafür stehen zwar ausgereifte Produkte zur Verfügung, bei der Umsetzung hapert es aber zum Teil an unterschiedlichen Anforderungen seitens der Kranken- und Pflegekassen. Das Handwerk fordert eine einheitliche Qualifizierung, die von allen Beteiligten anerkannt werden muss. Dies betrifft insbesondere die Krankenkassen, die Umbaumaßnahmen sowie den Einbau von Hilfsmittel, wie zum Beispiel Haltegriffe und Duschsitze durch Handwerksbetriebe auch im Rahmen ihrer Förderung anerkennen müssten.
Digitalisierung im Handwerk
Wie sich durch Digitalisierung die Geschäftsprozesse ändern, wird im zweiten Workshop anhand des Building Information Modeling (BIM) erarbeitet. Handwerksunternehmen aus den Bau- und Ausbaugewerken sehen sich insbesondere bei Großprojekten mit der Notwendigkeit, sehr zeit- und kosteneffizient zu planen und die Bauvorhaben abzuwickeln, konfrontiert. Welche Vorteile die Nutzung des Building Information Modeling (BIM) mit sich bringen kann, wird im Virtual Dimension Center (VDC) in Fellbach gezeigt. EHandwerksunternehmen diskutieren mit Vertretern der Bauwirtschaft über die Neugestaltung der Arbeits-, Qualifizierungs- und Innovationsprozesse, genauso wie über neue Absatz- und Beschaffungsstrategien, flexiblere Geschäftsmodelle und den Übergang zur produktmodellbasierten Arbeitsweise.
Hintergrund
Die beiden Workshops sind Bestandteil des landesweiten Projektes "Dialog und Perspektive Handwerk 2025 - Analyse der Potenziale und Strategiebildung für das baden-württembergische Handwerk im Zeithorizont bis 2025". Das damalige Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg hatte, zusammen mit dem Baden-Württembergischen Handwerkstag e.V., zum Jahresanfang das itb Karlsruhe und das ifh Göttingen mit der Durchführung einer Perspektivstudie beauftragt, in der Herausforderungen, Chancen und Potenziale für die zukünftige Entwicklung des baden-württembergischen Handwerks analysiert werden. Aus der Studie werden konkrete Handlungsempfehlungen für die Handwerksbetriebe, die Handwerksorganisationen und die Politik abgeleitet werden.