Die rund 100.000 kommerziell betriebenen Schiffe auf den Weltmeeren auf CO2-neutrale Antriebe umzustellen, gehört zu den größten Herausforderungen der Klimapolitik. Denn ein großer Teil dieser Flotte ist im Hochseeeinsatz unterwegs. Dementsprechend groß muss die Reichweite neuer Antriebe ausfallen. In der Handelsschifffahrt fahren beispielsweise Containerschiffe die Route von Shanghai nach Rotterdam ohne Zwischenstopp. Strom scheidet als Energieträger aufgrund des hohen Gewichts der Batteriesysteme aus. Und auch „grüner“ Wasserstoff, gewonnen aus Solar- und Windstrom, ist für den Langstreckenverkehr auf See nur bedingt geeignet, sofern man ihn direkt nutzen will.
Selbst wenn Wasserstoff gekühlt und verflüssigt gespeichert wird, ist die Energiedichte siebenmal geringer als die von Schiffsdiesel. In der Konsequenz brauchen Schiffe, die große Reichweiten haben müssen, riesige Kraftstofftanks, die wiederum nicht wirtschaftlich und nicht praktikabel sind. Daher bietet es sich an, den regenerativ erzeugten Wasserstoff chemisch zu binden. Ideal ist dafür Methanol, ein einfacher Alkohol, der bei Normalbedingungen flüssig ist und rund die dreifache Energiedichte von verflüssigtem Wasserstoff besitzt. Die technischen Verfahren für die Herstellung sind erprobt, denn Methanol ist heute bereits ein wichtiger Grundstoff in der chemischen Industrie. Wird die für die Methanol-Produktion benötigte Kohlenstoffverbindung nicht aus fossilen Quellen gewonnen, sondern beispielsweise aus der Luft abgeschieden oder das Methanol aus Biomasse erzeugt, handelt es sich um einen komplett klimaneutralen Kraftstoff.
Modulare Lösungen für klimaneutrale Schifffahrt
Genutzt werden kann Methanol in einer PEM-Brennstoffzelle, die mit einem vorgeschalteten Reformer arbeitet. Das System erzeugt per Dampfreformierung Wasserstoff, der dann in der Brennstoffzelle mit Sauerstoff aus der Luft reagiert und dabei sowohl die für den Antrieb als auch für das Bordnetz notwendige elektrische Energie produziert. Eine solche mit Methanol betriebene Brennstoffzelle hat Freudenberg Sealing Technologies mit Blick auf den Einsatz in der Schifffahrt in Containment-Bauweise entwickelt. Brennstoffzellenstapel, Reformer und Steuerungselektronik sowie alle Komponenten zur Medienführung befinden sich dabei in einer vorgefertigten Systemeinheit, die eine einfache Installation an Bord erlaubt. Das einzelne Containment kann über eine Nennleistung von bis zu 500 Kilowatt verfügen und ist mit weiteren Einheiten zu Gesamtleistungen im zweistelligen Megawatt-Bereich skalierbar. Diese Leistungsdaten sind für diese Verkehrsträger unabdingbar, um Schiffe sicher einzusetzen. Durch den hohen thermischen sowie mechanischen Integrationsgrad des Gesamtsystems kann die für den Reformer benötigte Wärme direkt aus der Abwärme der Brennstoffzellen gewonnen werden.
Das Brennstoffzellensystem mit integriertem Reformer ist Teil eines maritimen Portfolios, mit dem Freudenberg Sealing Technologies sein langjähriges Brennstoffzellen-Know-how auf die Schifffahrt überträgt. Für Anwendungen, in denen Reichweite kein wesentliches Kriterium darstellt und vor Ort eine Wasserstoff-Infrastruktur besteht, kann Freudenberg auch Brennstoffzellensysteme ohne Reformer – also für den reinen Wasserstoffbetrieb – bereitstellen. Des Weiteren bietet das Unternehmen eine Lösung für den maritimen Betrieb der Brennstoffzelle mit Flüssiggas (LNG) an, bei der der hierfür benötigte Reformer ebenfalls in den Container integriert ist.
Auch LNG kann auf Basis von grünem Wasserstoff hergestellt werden. In Küstengebieten kommen aufgrund strenger Emissionsbestimmungen weltweit zunehmend LNG-betriebene Verbrennungsmotoren zum Einsatz, sodass eine entsprechende Tankinfrastruktur in vielen Häfen und auf Schiffen bereits vorhanden ist.
Für alle Schiffstypen geeignet
Die nun durch die Klassifikationsgesellschaft DNV GL erfolgte prinzipielle Genehmigung des Sicherheitskonzeptes für die Brennstoffzelle mit integriertem Methanolreformer ist ein wichtiger Schritt für Freudenberg Sealing Technologies, um einer Nutzung an Bord eines Schiffes näher zu kommen. „Unsere Lösungen sind nicht nur für Kreuzfahrtschiffe und Yachten, sondern auch für alle Arten von Frachtschiffen und Fähren geeignet. Mehr als 95 Prozent der Schiffe benötigen eine hochseetaugliche Lösung“, erläutert Michael Milch, der das Programmmanagement bei dem Zulieferer leitet. „Mit der Konfiguration als Brennstoffzellen-Batterie-Hybridsystem lassen sich Schiffe in allen Leistungsklassen mit 100 Prozent klimaneutralem Antrieb realisieren. Freudenberg bietet seinen Kunden diese Hybridlösungen aus einer Hand.“
Benjamin Scholz, Ship Type Experts Gas Carriers, DNV GL – Maritime hat das Brennstoffzellensystem überprüft: „Brennstoffzellen sind eine attraktive Möglichkeit, ein flexibles und umweltfreundliches Antriebskonzept für ein Schiff zu realisieren. Dementsprechend unterstützt Freudenberg mit den entwickelten Brennstoffzellenlösungen die Intention der International Maritime Organization IMO, die Treibhausgasemissionen in der Internationalen Schifffahrt langfristig zu reduzieren.“ DNV GL ist die weltweit führende Klassifikationsgesellschaft und ein anerkannter Berater der maritimen Industrie.