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EMS-Misere Europa: "Wir sind der Beifang, den kein Bauteil-Hersteller interessiert"

(PresseBox) (Achern, )
Die Auftragslage könnte für Elektronikfertiger besser nicht sein, die Folgen daraus nicht schlimmer: Querbeet in der gesamten Branche klagen bundesdeutsche und europäische Elektronikfertiger über Bauteilknappheit, die zu strukturellen Rissen führt.

Am Rande der Fachmesse, der "smt" in Nürnberg, fasste Matthias Sester, Geschäftsführer der badischen Fritsch Elektronik GmbH, Ursachen und branchenbedingte Folgen von Pandemie und Kriegsgeschehen zusammen und fordert ein Umdenken in den eigenen Reihen.

Stockende EMS-Konjunktur gefährdet Existenzen

So seien es laut Sester die bis zu 90 Prozent gefüllten Bauteilläger, die aufgrund der fehlenden Restmenge zu einer enormen Kapitalbindung führen, die kleine und mittelständische EMS-Betriebe nahezu in die Knie zwingen. "Im Grunde genommen machen wir derzeit nichts anderes, als Geld verleihen. Nicht nur, dass Vorfinanzierungen dieser bislang ungeahnten Größenordnung Unternehmen an ihre Belastungsgrenze führen. Es ist die in weiten Teilen der Auftraggeber vorherrschende Haltung, dass rechtzeitige Vorhaltung aller Bauteile schlichtweg erwartet wird. Auch der Umstand, dass aufgrund noch steigender Energie- und Personalkosten die Preise von 2018 nicht mehr gehalten werden können, setzt sich auf der Auftraggeberseite nur zögerlich durch. Da ist einfach noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten", ist Matthias Sester überzeugt. Letztendlich würden diese Umstände weiter den Trend befeuern, dass die Größeren der EMS-Branche durch Aufkäufe gefährdeter Existenzen eine weiterführende Marktbereinigung mit sich bringe.

Die Kernkompetenz des EMS-Unternehmers verändert sich

Seinen Erkenntnissen zufolge spiele die grundsätzliche Verlagerung der Lieferkette in Billiglohnländer des Ostens und nach Fernost und der krisenbedingt anfälligen Logistik dem Dilemma eindeutig zu.

So habe es dazu geführt, dass die eingesetzten Bauteile der hiesigen Baugruppenproduktion gerade mal noch acht Prozent des Weltmarktaufkommens ausmachen, mit weiter sinkender Tendenz, auch für die europäische Baugruppenfertigung. Auffällig sei dabei, dass die Hersteller in den Jahren 2020/21 nicht weniger geliefert hätten. Vielmehr sei es unter der Pandemie zu einem erhöhten Bedarfsaufkommen an Elektronik gekommen, beispielsweise in der Unterhaltungselektronik. Auch der Ausbau von Netzinfrastrukturen und Servern wegen der Zunahme an Videokonferenzen führte zu einer auffällig anderen Gewichtung der Bedarfsfelder. Da die dafür angefragten Produkte schon traditionell in Asien gefertigt werden, ist demnach auch die gesamte Wertschöpfungskette dort etabliert. "Wir in Europa schauen da nur zu. Wir sind der Beifang, für den sich kein Bauteilhersteller interessiert", äußert Matthias Sester, "da wundert es mich nicht, wenn ein großer deutscher Distributor meint, für 200 angefragte Prozessoren würde er sich nicht bewegen." Dass demnach die größeren Abnehmer bevorzugt beliefert würden, läge seiner Ansicht nach auf der Hand. In seinen Augen ist der Umstand "für die mittelständische Industrie schlichtweg reines Marktversagen". In der Folge sieht der für sein mittelständisches EMS-Unternehmen verantwortliche Geschäftsführer zwei gravierende Veränderungen und fordert von jedem Unternehmen branchenbezogene Eigeninitiative:

* Die Kernkompetenz des EMS wird nicht mehr die Fertigung sein, sondern liegt künftig beim Einkauf. Qualitätsfertigung und Geschwindigkeit sind schon jetzt zu einer generischen, im Wettbewerb austauschbaren Leistung mutiert. Sie wird, im Gleichklang aller Geräteparks, bei allen Anbietern einfach vorausgesetzt.

* Was bleibt, ist, an den Stellschrauben der Logistik, am Dispositionsprozess zu drehen. Die zurückliegenden und noch andauernden Krisen zeigen einen ungeahnt hohen Distributionsbedarf, um bei der Bauteilrecherche fündig zu werden. Die Suche nach Einzelbauteilen bei wesentlich mehr Bezugsquellen, Alternativen zu ermitteln oder Ersatzteile zu besorgen, treiben die Personal- und Investitionskosten weiter in die Höhe. Die Zeiten des reibungslosen Durchbestellens sind definitiv vorbei.

Insbesondere das so zu verändernde Geschäftsmodell, mit zugleich geringeren Margen, kann langfristig von vielen EMS-Betrieben nicht mehr mitfinanziert werden. Selbst größere Branchenunternehmen äußern, so Matthias Sester, bei voluminösem Neugeschäft bei Bauteileinkäufen per Vorkasse ihre Bedenken. Das alles überfordere die einzelnen Unternehmen.

Die Branche käme aus seiner Sicht, insbesondere die klein- und mittelständischen Unternehmen, nicht umhin, mehr in Allianzen zu denken, um sich marktgerecht auszurichten, zu vertretbaren Kosten. Erste Ansätze und Gesprächsbereitschaft dort, wo sich früher hohe Hürden zeigten, deuten einen Richtungswechsel an. Wichtig sei, Vertrauen zueinander zu gewinnen. "Ich bin mir sicher, dass sich dafür eine eigenständige Dienstleistung für den Distributionsprozess gestalten lässt", äußert der im badischen Achern ansässige Unternehmer. Sie stünde nach seiner Vorstellung als kalkulierbare Investitionsgröße, als Dienstleistungsmodul somit allen EMS-Unternehmen zur Verfügung. Ein derartiges Netzwerk könne beispielsweise Sourcing größeren Umfangs in China und an anderen Spots betreiben, den Nutznießern des Modells weitaus bessere Konditionen offerieren. Sester: "Es ist der Dienst am Kunden, den die großen Distributeure für die EMSler nicht mehr leisten. Not macht erfinderisch. Auch hier wird sich der Markt bald konsolidieren."

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Mit mehr als 110 Beschäftigten bestückt das seit über 50 Jahren bestehende Unternehmen im Ortenaukreis nahe Offenburg Leiterplatten für verschiedene Branchen. Seit August 2020 ist die gesamte Produktion für alle Kunden auf der Grundlage der höchsten Qualitätsnorm für die Medizintechnik, der DIN EN ISO13485 ausgelegt. Die Bauteilbeschaffung, Prüfung der Baugruppen wie auch die Geräteendmontage und Lieferung an die Kunden der Kunden gehören mit zum Servicepaket des auf Hightech-Fertigung spezialisierten Betriebes.

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