Die aktuelle Geschäftslage liegt gleichauf mit dem Vorjahresquartal: 60 Prozent der Betriebe melden gute Geschäfte, 9 Prozent schlechte. „Das sind gute Werte, aber wir sind immer noch einige Punkte unter den Werten vor Corona“, gibt Ullrich zu bedenken. Die Geschäftserwartungen gehen auch saisonal bedingt nach unten – der Saldo liegt nur noch knapp im Plus. 14 Prozent der Betriebe rechnen mit einer Verbesserung der Geschäfte, 11 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung. „Dabei spielen sicherlich zum einen die kommenden Sommerferien eine Rolle, aber auch das Thema Unsicherheit.“
Die Umsatzentwicklung hat sich zwar seit dem Winter etwas erholt, im Vergleich zum Vorjahr aber abgeschwächt. 36,5 Prozent der Betriebe melden gestiegene Umsätze, aber auch 15 Prozent melden gesunkene Umsätze. „Auch die Umsatzerwartungen liegen unter den Werten des Vorjahres – hier macht sich die Unsicherheit der Betriebe bemerkbar“, berichtet Dr. Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsleitung der Handwerkskammer Freiburg. Nur jeder Vierte erwarte steigende Umsätze, fast 15 Prozent gehen von Rückgängen aus.
Weiterhin stellt die Preisproblematik viele Handwerksunternehmen vor Herausforderungen: Die Einkaufspreise steigen zwar nicht mehr überall und in dem hohen Maß wie in den letzten Quartalen. „Dennoch ist mit 56,6 Prozent über die Hälfte der Befragten weiterhin von Preissteigerungen betroffen“, so Ungern-Sternberg. „Ihre Verkaufspreise heben die Betriebe aber nicht im gleichen Maß an: In den vergangenen Wochen haben nur 37 Prozent erhöht.“
Wohnungsbau enorm ausgebremst
Das Bauhauptgewerbe verliert seinen Platz als Konjunktur-Zugpferd. „Die Betriebe melden hier eine gute Lage. Hier werden aber auch Gewerke wie Zimmerer und Straßenbauer erfasst, bei denen die Geschäfte weiterhin gut laufen“, so Ullrich. Vor allem melden die Baubetriebe aber pessimistische Erwartungen. „Insbesondere im Wohnungsbau ist schon eine deutliche Abkühlung bei den Betrieben angekommen“, macht Ullrich klar. Der Grund: Die Kosten für Entwicklung und Bau von Neubauprojekten sind in die Höhe geschossen. Ullrich: „Seit dem Jahr 2000 haben sich die Baukosten pro Quadratmeter Wohnfläche im frei finanzierten Wohnungsbau verdoppelt.“ Damit werde der Wohnungsbau aktuell enorm ausgebremst. Und es sieht nicht nach schneller Besserung aus: Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft geht unter den aktuellen Voraussetzungen von einem realistischen Bauziel von rund 200.000 neuen Wohnungen jährlich aus. „Also nur halb so viel, wie sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben hat“, hebt Ullrich hervor.
Ausbaugewerke spüren Verunsicherung
Im Ausbaubereich schätzen die Betriebe die Lage schlechter ein als noch vor einem Jahr. Auch die Erwartungen sind deutlich nach unten gegangen. Ullrich: „Eigentlich ist das Thema energetische Sanierung gerade für diese Gewerke wichtiger Treiber.“ Das SHK-Handwerk in Baden-Württemberg meldete für 2022 eine Steigerung des Jahresumsatzes von knapp 11 Prozent. „Rosig ist die Lage für die SHK-Betriebe dennoch nicht“, stellt Ullrich klar. Die Diskussion um das Heizungsgesetz habe Kunden und Betriebe sehr verunsichert. „Wir sind froh, dass im letzten Gesetzesentwurf endlich zentrale Forderungen des Handwerks aufgegriffen wurden. Die Bundesregierung muss das Gesetz aber nun endlich langfristig tragbar und realistisch aufsetzen.“
„Fachkräfteeinwanderungsgesetz bedarf Weiterentwicklung“
Eine weitere Zahl lässt zudem aufhorchen: Trotz Bauflaute und anderen Schwierigkeiten sind die südbadischen Handwerksunternehmen stark ausgelastet. „Jeder Vierte berichtet mittlerweile, dass er zu mehr als 100% ausgelastet ist“, sagt Ungern-Sternberg. „Hier sehen wir, wie stark das Thema Fachkräftemangel langsam durchschlägt.“ Mitarbeiter zu finden, sei für die Unternehmen immer schwieriger. In einem Bereich, der Potenzial biete, gebe es nun Bewegung: bei den internationalen Fachkräften.
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz habe seine guten Aspekte – aber leider auch einige schlechte. „Grundsätzlich begrüßen wir, dass sich endlich etwas tut. Das aktuelle Gesetz muss aber aus unserer Sicht weiterentwickelt werden.“ Die beschlossenen Reformen ermöglichten mehr Flexibilität und mehr Zugangsmöglichkeiten auf den deutschen Arbeitsmarkt. „Aber die zuständigen Behörden bleiben die Flaschenhälse. Schnellere Verfahren sind so aus unserer Sicht nicht möglich“, so Ungern-Sternberg. „So kann die benötigte Fachkräftezuwanderung aller Voraussicht nach nicht erreicht werden.“