Unterbezahlt und unterschätzt: Die „Women in Workplace“-Studie zeichnet ein ernüchterndes Bild von der Zufriedenheit weiblicher Mitarbeitender in Deutschland. Die repräsentative Umfrage wurde im Auftrag von HiBob, einem der führenden HR-Tech-Unternehmen, durchgeführt. Im Rahmen der Studie, die der Softwareentwickler anlässlich des Internationalen Weltfrauentages am 8. März durchgeführt hat, wurden 1000 Angestellte in Deutschland zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen der modernen Arbeitswelt befragt. Im Fokus beschäftigt sich die Studie mit folgenden Themen: Arbeitsmodelle, Gehälter und Chancengleichheit. In Deutschland nimmt die Studie darüber hinaus die Themen Gender Pay Gap, Financial Wellbeing und Frauenquote in den Blick. An der DACH-Studie nahmen Frauen (45,4 Prozent) und Männer (54,6 Prozent) teil, die in Vollzeit in deutschen Unternehmen beschäftigt sind – der Großteil davon (47 Prozent) im Mittelstand. 18 Prozent der Befragten sind im Ingenieurswesen, in der Technik oder Entwicklung tätig. Sie sind 25 Jahre und älter. 73 Prozent von ihnen sind Eltern oder für die Pflege von Angehörigen zuständig. 46 Prozent der Befragten arbeiten als Führungskräfte in ihrem Unternehmen. HiBob veröffentlicht die „Women in Workplace“-Studie bereits zum dritten Mal in Folge. In diesem Jahr wurden erstmalig auch Männer befragt. Mit Ergebnissen, die massive Diskrepanzen zwischen den Geschlechtern in der deutschen Arbeitswelt sichtbar machen.
Die Mängelliste ist lang: Gender Pay Gap und fehlende Geschlechtergerechtigkeit
Die deutsche Arbeitswelt scheint, allen politischen Bemühungen zum Trotz, immer noch ein Paradies für Männer zu sein. Frauen sind mit deutlichen Ungleichheiten konfrontiert, wenn es um Löhne und Beförderungen geht: So glauben 71 Prozent der befragten Männer an Aufstiegschancen beim Arbeitgebenden, während nur 53 Prozent der befragten Frauen diese Meinung teilt. 41 Prozent der Studienteilnehmerinnen glaubt, dass ihre männlichen Kollegen häufiger und schneller befördert werden als ihre Geschlechtsgenossinnen. Nur 6 Prozent der weiblichen Befragten geht davon aus, dass Kolleginnen im Unternehmen häufiger und schneller befördert werden. Auch beim Thema Gehaltserhöhungen macht sich eine Geschlechterungleichheit bemerkbar: 34 Prozent der Befragten geben an, dass sie 2023 eine Gehaltserhöhung erhalten haben. 37 Prozent davon sind männlichen, 29 Prozent weiblichen Geschlechts. Zirka ein Fünftel der Befragten (19 Prozent) wurde 2023 nicht befördert und erhielt auch keine Gehaltserhöhung. Die Nicht-Beförderten beziehungsweise Nicht-Begünstigten setzen sich zu 21 Prozent aus Frauen und zu 17 Prozent aus Männern zusammen. Die Rezession in Deutschland mag bedingt haben, dass sich die Unternehmen rund um Beförderungen und Gehaltserhöhungen zurückhaltend zeigten. Die „Women in Workplace“-Studie 2023 ergab im Vergleich, dass weniger als die Hälfte der damals 1000 befragten Frauen nicht befördert wurden oder Gehaltserhöhungen erhielten.
Weibliche Arbeitskräfte in Deutschland kämpfen darüber hinaus mit anhaltenden Gehaltsunterschieden zwischen den Geschlechtern sowie mangelnder Gehaltstransparenz. So glauben nur drei Prozent der befragten Frauen, dass sie für gleiche und gleichwertige Aufgaben genauso bezahlt werden wie ihre männlichen Kollegen. Es scheint ein massives Missverhältnis in der Wahrnehmung von Lohngleichheit und Lohntransparenz zwischen den Geschlechtern in Deutschland zu geben. Geht doch die Mehrheit der befragten Männer (48 Prozent) davon aus, dass Frauen und Männer in ihrem Unternehmen fair bezahlt werden. Insgesamt sehen 48 Prozent der weiblichen Studienteilnehmerinnen ein Gender Pay Gap im Unternehmen. Im Jahr 2023 waren sich noch 37 Prozent der Studienteilnehmerinnen sicher, dass Frauen und Männer fair bezahlt werden.
Handlungsbedarf macht sich auch rund um das Thema Gehaltstransparenz bemerkbar: Der Mehrheit der Befragten (31 Prozent) zufolge, legt das Unternehmen keine Gehaltsinformationen offen. 2023 gab ein Viertel der Befragten an, dass es keine Gehaltstransparenz gäbe. Geht es um die derzeitigen Bemühungen der Arbeitgebenden zur Verbesserung der Gehaltstransparenz, scheiden sich die Geschlechter: So äußern sich 28 Prozent der Frauen unsicher über die Arbeitgeber-Maßnahmen, während dies nur fünf Prozent der Männer kommunizieren. Dabei könnten die EU-Richtlinie für mehr Gehaltstransparenz und das deutsche Entgelttransparenzgesetz den erforderlichen Wandel befördern und beschleunigen.
Schaut man sich allerdings die Reaktionen der Befragten zur Frauenquote an, ist es fraglich, ob diese die gewünschten Veränderungen mit sich bringen werden. 15 Prozent der Frauen nimmt an, dass die Frauenquote keine Transformation bewirkt. Nur acht Prozent der Männer teilt diese Meinung. Trotz der Frauenquote, gibt es unternehmensseitig in vielen Fällen keine ausreichende Förderung von Frauen in Führungspositionen oder zu wenig Engagement rund um Führungskräfteentwicklung der weiblichen Mitarbeitenden. Insgesamt 39 Prozent der Befragten fehlt die Geschlechterdiversität im Unternehmen: Die Befragten äußern sich unzufrieden über die geringe Besetzung von Führungspositionen durch Frauen im (Top-) Management. 30 Prozent der Studienteilnehmenden sieht dagegen eine Balance in der geschlechterdiversen Förderung, wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht.
It’s (still) a man’s world: Glückliche Mitarbeiter und unzufriedene Mitarbeiterinnen
Die diesjährige „Women in Workplace“-Studie weist auf einen Bruch zwischen der Wertschätzung der weiblichen Talente durch ihre Arbeitgebenden auf der einen Seite und der Selbsteinschätzung der Frauen hinsichtlich ihrer Leistungen auf der anderen Seite hin: So gibt 82 Prozent der Befragten an, die eigenen Leistungen selbstbewusst und positiv einzuschätzen – 57 Prozent davon sind Frauen (Im Vergleich 2023: 55 Prozent), 84 Prozent Männer. Nur drei Prozent der Studienteilnehmerinnen hat kein Vertrauen in die eigenen Arbeitsleistungen.
Was ist der Effekt des Bruchs zwischen Selbstwert und Fremdwert im Arbeitskontext? Kündigungswillige weibliche Talente! Zwar geben 66 Prozent der Befragten an, dass sie 2024 ihren Arbeitsplatz behalten wollen. Allerdings ist der Großteil davon männlichen Geschlechts (71 Prozent), während nur 13 Prozent davon weiblich sind. Was genau sind die Treiber für einen Arbeitsplatzwechsel der weiblichen Talente? Eine Position mit höherem Gehalt (17 Prozent) und mehr Flexibilität und Arbeitsplatzsicherheit (66 Prozent) beim zukünftigen Arbeitgebenden. Flexibles Arbeiten ist für die weiblichen Arbeitnehmenden in Deutschland ein großes Thema. Für ihre männlichen Kollegen dagegen weniger (12 Prozent). Im Vergleich mit den „Women in Workplace“-Studienergebnissen von letztem Jahr lässt sich festhalten: An den Treibern hat sich nichts verändert. Auch 2023 waren die weiblichen Talente (39 Prozent) bereit, ihren Arbeitgebenden für ein besseres Gehalt (42 Prozent), Flexibilität (40 Prozent) und passendere Unternehmenswerte (30 Prozent) zu verlassen. Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden transparente Gehaltsstrukturen, faire Löhne und Flexibilität bieten, sollten folglich die attraktiven Arbeitgebenden auf dem deutschen Arbeitsmarkt sein.
Die Befragten wollen an den Strukturen des hybriden Arbeits(zeit)modells festhalten. 34 Prozent der Studienteilnehmerinnen wünscht sich, dass der Arbeitgebende festlegt, an welchen Tagen vom Büro aus gearbeitet werden soll. Es ist davon auszugehen, dass dies den weiblichen Talenten mehr Planbarkeit verschafft, wenn es um die Vereinbarung von familiären und beruflichen Verpflichtungen geht. Die viel diskutierte Vier-Tage-Woche mit entsprechend anteiliger Bezahlung wird von 16 Prozent der Studienteilnehmerinnen gewünscht, aber nur von sechs Prozent der Studienteilnehmer. 2024 sehen deutlich mehr Befragte (35 Prozent) die Fünf-Tage Woche im Büro als ideale Arbeitsform an als im Vorjahr (22 Prozent). Auffällig ist, dass mehr als die Hälfte derer, die das Büro dem Homeoffice vorziehen (53 Prozent) männlichen Geschlechts sind (57 Prozent). Gleichzeitig sagen etwa ein Drittel aller Befragten, dass remote und hybride Arbeitsmodelle in den vergangenen Jahren zur mehr Chancengleichheit für Frauen geführt hätten.
Die Studie macht deutlich: Frauen und Männer haben unterschiedliche Ambitionen, vom Büro aus zu arbeiten. Zwar teilen sie den Wunsch, gemeinsam mit ihrem Team zu arbeiten (18 Prozent) oder zur Unternehmenskultur beizutragen (12 Prozent) sowie eine Grenze zwischen Arbeit- und Privatleben zu ziehen (13 Prozent), doch für Männer ist das Büro der bevorzugte Ort für ihre Sichtbarkeit und Selbstvermarktung. So geben die Studienteilnehmer an, dass sie für die eigene Sichtbarkeit vom Büro aus arbeiten (19 Prozent) und die Zeit vor Ort für den direkten Austausch mit Kollegen und Führungskräften nutzen (17 Prozent). Frauen scheint weniger an der Eigenvermarktung zu liegen: Nur sechs Prozent der Studienteilnehmerinnen geht für die persönliche Sichtbarkeit ins Büro und nur acht Prozent von ihnen nutzt die Zeit vor Ort für den direkten Austausch. Ob dabei eine Verknüpfung zwischen der Beförderung von Männern und der Nicht-Beförderung von Frauen gezogen werden kann, bleibt zu prüfen.
Ohne rosaroter Blick in die Zukunft: Die Angst vor der Altersarmut
Nur bezüglich eines Themas scheinen sich die weiblichen und auch die männlichen Angestellten in Deutschland einig zu sein: hinsichtlich der (betrieblich geförderten) Altersvorsorge sieht es ernüchternd aus: 37 Prozent der Befragten fühlen sich nicht abgesichert, wenn es um ihre Finanzen und die Altersvorsorge geht. 56 Prozent davon sind Frauen. Etwa ein Fünftel aller Befragten wird von ihren Arbeitgebenden teilweise unterstützt, wenn es um die Altersvorsorge geht. Beispielsweise im Rahmen betrieblich geförderter Altersvorsorge. Knapp ein Viertel der Befragten meint, dass ihr Arbeitgebender sie wenig bis gar nicht unterstütze, wenn es um das Financial Wellbeing geht. Vor dem Hintergrund des Gender Pay Gaps, der Nicht-Beförderungen von Frauen in Führungspositionen und der Nicht-Unterstützung rund um die Altersvorsorge, ist mit einer massiven Rentenungleichheit zwischen den Geschlechtern zu rechnen. In der Folge werden vermehrt viele der weiblichen Arbeitskräfte in Deutschland in Zukunft von Altersarmut betroffen sein. Hier herrscht ein dringender Handlungsbedarf der Unternehmen, denn das Gefühl von finanzieller Sicherheit und Unterstützung durch den Arbeitgebenden trägt wesentlich zur Arbeitgeberattraktivität jedes Unternehmens bei.
„Die Ergebnisse der Studie machen deutlich: Deutsche Unternehmen haben immer noch viel zu tun, wenn sie ihre weiblichen Talente an sich binden und von glücklichen Mitarbeiterinnen sprechen wollen“, sagt Melanie Wagner, Country Managerin DACH von HiBob. „Gehaltsparität, Chancengleichheit, Gleichberechtigung und die Förderung von Frauen wären ein Hebel, um der Unzufriedenheit und Kündigungsbereitschaft vorzubeugen. Ein anderer das Schaffen und Erhalten von flexiblen Arbeitsstrukturen, die auf die Bedürfnisse der Frauen einzahlen, wenn es darum geht den familiären und beruflichen Verpflichtungen nachzukommen. Es bleibt zu hoffen, dass die Frauenquote und das Entgelttransparenzgesetz die nötigen Veränderungen beschleunigen werden.“
Die “Women in Workplace”-Studie hat HiBob neben Deutschland auch in Großbritannien, Australien und den USA durchgeführt. In allen Ländern wurden insgesamt 7000 Berufstätige befragt, davon 49 Prozent Frauen und 51 Prozent Männer.
Weitere Informationen zur „Women in Workplace“-Studie.