Ende Oktober verabschiedete der Bundestag den Entwurf zum Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010), dem der Bundesrat in seiner Sitzung am 26.11.2010 noch zustimmen muss. Damit ist eine Gesetzesverkündung Mitte Dezember wahrscheinlich. Insgesamt haben die Bundestagsabgeordneten - zum Teil sehr kurzfristig - rund 180 Änderungen an den bestehenden Steuergesetzen beschlossen. So wurde als Reaktion auf ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 15.6.2010 im JStG 2010 klargestellt, dass Erstattungszinsen nach § 233a Abgabenordnung als Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen zu bewerten sind und damit der Abgeltungsteuer unterliegen. Gelten soll diese Regelung für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide.
"Damit kann die BFH-Entscheidung, in der die Steuerpflicht von Erstattungszinsen zur Einkommensteuer verneint wurde, leider nicht umgesetzt werden", bedauert Prof. Dr. W. Edelfried Schneider, Geschäftsführer von HLB Deutschland, einem Netzwerk unabhängiger Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften mit Sitz in Düsseldorf. Bis 1999 konnten Nachzahlungszinsen, die der Steuerpflichtige an das Finanzamt zu zahlen hatte, als Sonderausgaben abgezogen werden. Nachdem diese Regelung ersatzlos entfallen war, mussten die Erstattungszinsen nach wie vor als Einnahmen aus Kapitalvermögen versteuert werden, während die Nachzahlungszinsen nicht mehr abgezogen werden durften.
Der Kläger vor dem BFH, der aufgrund desselben Einkommensteuerbescheids nicht abziehbare Nachzahlungszinsen an das Finanzamt zu leisten und zugleich von diesem bezogene Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern hatte, machte in dem Rechtsstreit in erster Linie geltend, dass das in § 12 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) geregelte Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen verfassungswidrig ist. Der BFH bestätigte in seinem Urteil zwar zum einen die Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Abzugsverbots von Nachzahlungszinsen an das Finanzamt. Zum anderen änderten die Richter aber die steuerliche Beurteilung von Erstattungszinsen teilweise und revidierten damit ihre frühere Rechtsprechung. Da aufgrund der gesetzlichen Neuregelung Nachzahlungszinsen nicht mehr wie in früheren Jahren steuerlich als Aufwand geltend gemacht werden können, sollten nach ihrem Urteil Erstattungszinsen ebenfalls außen vor bleiben.
Nach eigenen Angaben zahlen die Finanzämter jährlich rund zwei Milliarden Euro Erstattungszinsen an Steuerpflichtige - etwa wegen verspäteter Einkommensteuererstattungen. Ohne die gesetzliche Klarstellung, so die Behördenmeinung, würde es möglicherweise zu Steuermindereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe kommen. "Kaum hat ein Gericht einmal zu Gunsten der Steuerpflichtigen entschieden, wird dieses Urteil auch schon wieder ausgehebelt", kritisiert Prof. Schneider das Vorgehen des Finanzministeriums. Allerdings müsse abgewartet werden, ob die geplante Gesetzesänderung einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Nicht angesprochen sind im Übrigen vereinnahmte Aussetzungszinsen. Auch die Auswirkung auf Steuerzinseinnahmen für betrieblich abzugsfähige Steuern bleibt unklar. "Angesichts dieser Lage empfehlen wir, einschlägige Fälle zunächst offen zu halten, bis das Thema endgültig entschieden sein wird", betonen die HLB-Experten.