Die IHK beurteilt die Lage des aktuellen Haushalts kritisch. Schoelen geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet die finanzielle Lage der Stadt Bonn bis 2027 als desolat. „Das Gesamtergebnis ist durch ein hohes strukturelles Defizit geprägt. Zieht man die Bilanzhilfe, die keine Finanzhilfe ist, und den globalen Minderaufwand vor die Klammer, so liegt das Ergebnis der laufenden Verwaltungstätigkeit im Planungshorizont bis 2027 zwischen minus 105,1 Mio. € und minus 147,5 Mio. €. Hierzu trägt maßgeblich das zunehmend defizitäre Finanzergebnis bei. Dieses verfünffacht sich zwischen 2022 und 2027 auf minus 82,6 Millionen Euro; die Gesamtverschuldung verdoppelt sich nahezu auf 3,7 Milliarden Euro.“
IHK-Präsident Stefan Hagen weist darauf hin, dass die Stadt Bonn bislang kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem hat. „Die Zahlen zeigen, dass Bonn über eine überdurchschnittliche Nettosteuerquote verfügt“, so Hagen. „Die Wirtschaft trägt ihren Teil zu einer möglichen Konsolidierung bei, indem der aktuelle Ansatz bei der Gewerbesteuer die Erwartungen des letzten Doppelhaushalts übersteigt. In wirtschaftlich schwieriger Zeit haben sich die Unternehmen in unserer Region bislang als hinreichend resilient erwiesen.“ „Dies ist allerdings nur eine Momentaufnahme“, so Hagen weiter. „Wir leben in unsicheren Zeiten mit anhaltend hoher Inflation, gestörten Lieferketten und noch nicht absehbaren Folgen für den Standort. Weitere Belastungen für die Unternehmen müssen wir deshalb dringend vermeiden und appellieren an die Politik, der Versuchung zu widerstehen, die kommunalen Steuern für die Unternehmen zu erhöhen.“
Prof. Schoelen ergänzt: „Statt wie beabsichtigt 2026 an der Steuerschraube zu drehen, sollte sich die Stadt Bonn einer noch strikteren Aufgabenkritik unterziehen.“ Für eine Konsolidierung bleibt nicht viel Zeit - die Möglichkeit, kriegsbedingte Belastungen zu isolieren, endet 2026. Die bis dahin aufgelaufenen Isolierungsbeträge müssen dann über 50 Jahre abgeschrieben oder gegen Eigenkapital ausgebucht werden.
„Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, auch die finanziellen Belastungen für die Zukunft im Blick zu behalten und sich der Verantwortung bewusst zu sein“, mahnt Prof. Schoelen. „Dies gilt umso mehr, als der Haushalt künftige Risiken noch nicht umfänglich abbildet. Die Personalkosten sind beispielsweise deutlich zu niedrig angesetzt, hier sind Tarifsteigerungen erheblich über den angesetzten 1% zu erwarten.“
Darüber hinaus ergibt sich u.a. ein Mehrbedarf für die Unterbringung von Flüchtlingen, höhere Energiekosten und steigende Zinsen.