Für Dr. Brigitte Scheuerle von der IHK Arbeitsgemeinschaft Hessen signalisiert diese "enorm gestiegene Ausbildungsbereitschaft, dass die Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in unserem deutschen Ausbildungssystem angekommen sind. Die duale Berufsausbildung wird in der Türkei so ja nicht praktiziert, dort steht die schulische Ausbildung im Vordergrund. Mit der Integrationsbereitschaft wächst offenbar auch die Ausbildungsbereitschaft."
Für türkischstämmige Unternehmer und Unternehmerinnen zählen bei der Einstellung von Auszubildenden vor allem Sprachkenntnisse in Türkisch und Deutsch sowie kulturelle Sensibilität. Denn viele dieser Unternehmen betreiben Handel mit der Türkei. Das spiegelt sich auch in der Auswahl der Auszubildenden wider: Über 50 Prozent der Ausbildungsplätze sind mit Azubis besetzt, die türkischen Migrationshintergrund haben. In der Rhein-Main-Region gibt es über 2000 türkisch-geführte Betriebe; sie bilden damit die zweitgrößte Gruppe der Unternehmen mit internationalem Hintergrund - nach Polen mit 3.633 und vor Italien mit 1.229 Unternehmen.
Ausbildung rechnet sich Einer der emsigsten Verfechter für Ausbildung in Rhein-Main ist Sait Özcan, Geschäftsführer der Kon-Tel GmbH in Offenbach und Pressesprecher des europäischen Dachverbands TIDAF, in dem türkisch-europäische Unternehmervereine versammelt sind. Özcan, der seit 1986 in der Bundesrepublik zuhause ist, bildet seit 2003 Kaufleute aus und hat andere Landsleute mit seiner Begeisterung angesteckt. "50 bis 60 Ausbildungsplätze habe ich wohl über Mundpropaganda bei meinen Landsleuten angeregt." Dabei hat er sich nicht allein auf das soziale Argument verlassen, man müsse Jugendlichen eine Chance zu geben, im Berufsleben Tritt zu fassen. "Man muss den Geschäftsleuten vorrechnen, wie günstig Auszubildende für sie sind. Denn sie kosten weniger als ein fest angestellter Mitarbeiter."
Tendenz: Weg von Gastronomie, hin zu Dienstleistung Waren es in den ersten Jahren zunächst vor allem Restaurants und kleine Handelsbetriebe, die erstmals in die Ausbildung einstiegen - so das Resümee aus sieben Jahren IUBA-Erfahrung -, so steigt der Anteil der Dienstleistungsbetriebe stetig an. Zum Beispiel Nilüfer Tunc. Ihre Nilüfer Tunc & Hardt Buchhaltungsbüro GmbH in Frankfurt ist gleich neben einer Steuerberatungsgesellschaft angesiedelt. Ihre Klientel: Hauptsächlich türkische Landsleute, denen sie beim Rechnungstellen, der Steuererklärung und dem Umgang mit deutscher Bürokratie behilflich ist. Und sie ist eine erfahrene Ausbilderin. Seit 1996 hat sie etwa 20 junge Menschen ausgebildet. Ihr Büro floriert, und sie kennt den Grund: "Wir sind der Renner, weil wir sehr, sehr viel Dienstleistung bieten."
Zum Hintergrund - Welt der Zahlen
Deutschlandweit:
- Die türkisch-stämmige Gruppe gehört zu den drei größten Selbständigengruppen mit ausländischem Pass in Deutschland: Italien (16,1%), Türkei (15%) und Griechenland (9,1%).
- Insgesamt gibt es etwa 7500 Ausbildungsplätze in türkischen Unternehmen in Deutschland.
- Türkische Firmen in Deutschland erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von knapp 25 Mrd. Euro.
Rhein-Main-Region:
- Von den 2.048 türkisch-geführten Unternehmen im IHK Bezirk Frankfurt am Main sind 341 ins Handelsregister (HR) eingetragen, 1.707 sind Kleingewerbetreibende. Bei den hier ansässigen US-Firmen ist das Verhältnis umgekehrt: 663 Unternehmen sind HR-Firmen, 207 sind Kleingewerbetreibende.
IUBA ist eine Kooperation zwischen den Industrie- und Handelskammern Frankfurt, Darmstadt, Hanau, Kassel und Offenbach und dem Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik (INBAS GmbH) in Offenbach. Finanziert wird das Vorhaben aus Mitteln des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und des Europäischen Sozialfonds.