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"Holzbau kann noch größer!"

Interview mit Dipl.-Betriebswirt Konstantin zu Dohna, neuer Geschäftsführer des Deutschen Holzfertigbau-Verbandes e.V. (DHV), über Schwarmstädte und Wohnungsmangel, Baustoffwahl und Klimawandel sowie neue Baugebiete und das Eigenheim im Grünen

(PresseBox) (Ostfildern, )
Redaktion: Herr zu Dohna, Sie sind seit Ende März 2019 Geschäftsführer des Deutschen Holzfertigbau-Verbandes (DHV), der zusammen mit den Unternehmen der Vereinigung ZimmerMeisterHaus (ZMH) und den Mitgliedern des Netzwerks 81fünf die Interessen von mehr als 300 Unternehmen des handwerklichen Holzfertigbaus vertritt. Welchen marktrelevanten Themen werden Sie sich vorrangig widmen?

Konstantin zu Dohna: Vordringlich scheint mir der akute Wohnungsmangel in städtischen Ballungszentren zu sein. Es geht nicht an, dass wir uns allmählich an Berichte über eine zunehmende Unterversorgung auf dem Wohnungsmarkt gewöhnen. An wem es lag, dass es zu dem beklagenswerten Fehlen von geschätzt 400.000 Wohnungen in Deutschland kommen konnte, sei einmal dahingestellt; das ist eine Frage, die sich die politischen Akteure nach einer gründlichen Analyse stellen müssen. Fakt ist jedoch, dass das unzureichende Angebot an bedarfsgerechtem Wohnraum und die daraus resultierenden überhöhten Mietzinsforderungen eine unheilvolle Tendenz darstellen, die den sozialen Frieden in Deutschland gefährdet. Deshalb gilt es jetzt, entschlossen gegenzusteuern und die Bauwirtschaft zu Höchstleistungen anzuspornen. Die Politik ist gut beraten, den Wohnungsbau insgesamt – damit meine ich ausdrücklich auch eine spürbare Förderung der Wohneigentumsbildung durch den Bau neuer Ein- und Zweifamilienhäuser – als Daseinsvorsorge zu begreifen und sich dieser Daueraufgabe nachhaltig zu widmen. Dazu gehört, kurzfristig deutlich mehr Bauland als in der Vergangenheit auszuweisen und der Bauwirtschaft die erforderlichen Aufträge zur Erschließung und Bebauung neuer Wohngebiete zügig und unbürokratisch zu erteilen.

Redaktion: War die verstärkte Nachfrage denn nicht schon vor Jahren absehbar?

Konstantin zu Dohna: Natürlich war sie das! Dass auch die Kinder der Babyboomer irgendwann Raum zum Wohnen und Leben brauchen würden, dürfte schon seit den 1970er-Jahren klar gewesen sein. Ein differenziertes Langzeit-Monitoring des Wohnungsmarktes hat aber offenbar nicht stattgefunden. Dabei ist Bauen keine Nebensache, sondern für das friedliche Zusammenleben von rund 80 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland schlicht und einfach essentiell. Ein eigenständiges Bundesbauministerium wäre daher das Mindeste, was die Branche an Wertschätzung verdient. Über Jahrzehnte ein Anhängsel des Verkehrsressorts zu sein, dann mit dem Umweltministerium zwangsverheiratet zu werden und jetzt die halbherzige Mitverwaltung durch das Bundes-Innenministerium zu erleben – die Folgen dieser Beliebigkeit kommen in Gestalt des akuten Wohnungsmangels deutlich zum Vorschein.

Redaktion: Neuen Wohnraum von Staats wegen zu schaffen, ist ein hehres Ziel – wie kann das Ihrer Meinung nach kurzfristig gelingen?

Konstantin zu Dohna: Wohnen ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Auch in Ballungszentren darf es deshalb kein Luxus sein, über eine eigene Wohnung zu verfügen. Fakt ist aber, dass in Deutschland derzeit Wohnungen in einer Größenordnung fehlen, die dem Neubauvolumen eines ganzen Jahres entspricht. Sie verstehen, dass der Deutsche Holzfertigbau-Verband das nicht einfach unkommentiert zur Kenntnis nimmt. Der DHV empfiehlt, die Bildung von privatem Wohneigentum in den Vordergrund zu stellen und den Neubau von Eigenheimen mindestens in dem Umfang zu fördern, wie es mit dem Eigenheim-Zulagegesetz (EigZulG) unter dem damaligen Bundesbauminister Klaus Töpfer schon vor der Jahrtausendwende äußerst erfolgreich praktiziert worden ist.

Redaktion: Was sollten wir außerdem unternehmen?

Konstantin zu Dohna: Wir müssen uns trauen, das Bauen in Deutschland neu zu denken. Wir wollen wohngesunden Wohnraum schnell und zu bezahlbaren Konditionen bereitstellen, wobei das Baumaterial dem Klimaschutzgedanken Rechnung tragen muss. Der Holzbau verfügt dank jahrzehntelanger Erfahrung der Unternehmen auf dem Gebiet der Vorfertigung und Elementierung über das Wissen und die Kapazitäten, um den Neubaubedarf zu einem deutlich größeren Anteil als bisher zu decken. Das hat sich bereits besonders deutlich auf dem Gebiet des privaten Hausbaus erwiesen: Bundesländer wie Berlin und Baden-Württemberg führen mit einer steigenden Holzbauquote von bereits deutlich mehr als einem Drittel aller neuen Ein- und Zweifamilienhäuser vor Augen, wie zeitgemäßes Bauen funktioniert.

Entsprechendes gilt für die Errichtung von Großobjekten wie Mehrgeschossgebäuden in Holz-Hybrid-Bauweise. Denken Sie beispielsweise an den Bau des ersten 8-Geschossers in Holztafelbauweise in Bad Aibling, an das genossenschaftliche Wohnprojekt „Holzhaus Lynarstraße“ in Berlin-Wedding – an dem übrigens gleich mehrere Mitgliedsunternehmen des DHV beteiligt waren –, oder an den zehngeschossigen Holz-Beton-Hybridbau mit dem klingenden Namen SKAIO, der unlängst am Neckarbogen in Heilbronn fertiggestellt wurde und dort bewundernde Blicke unzähliger Besucher der Bundesgartenschau auf sich zieht. Es handelt sich dabei um das bislang höchste Holzhochhaus in Deutschland. Und ich bin mir sicher, dass mit Holz noch viel mehr geht!

Redaktion: Aber passen denn die bestehenden Baugesetze und -verordnungen zu diesem Trend? Oder muss sich an den rechtlichen Rahmenbedingungen etwas ändern, damit noch mehr mit Holz gebaut werden kann?

Konstantin zu Dohna: Mit schöner Regelmäßigkeit wird im In- und Ausland über neue Gebäude berichtet, die vorwiegend aus Holz bestehen und zumeist in großen Teilen vorgefertigt sind. Die sachgerechte Verarbeitung des natürlichen Baustoffs Holz sowie bei größeren Objekten das ganzheitliche Planen nach der Methode BIM (Building Information Modeling; Anm. der Redaktion) sind in Mitgliedsbetrieben der Holzbauverbände DHV, ZMH und 81fünf im Grunde schon seit Jahrzehnten geübte Praxis.

Hinderlich wirkt sich allerdings nach wie vor das Nebeneinander von 16 Landesbauordnungen aus, weil das Anpassen architektonischer Entwürfe und Gebäudeausstattungen an von Bundesland zu Bundesland abweichende Baugesetze zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeutet, der den Bauherrn Geld und das Hausbau-Unternehmen Zeit kostet. Mit einer einheitlichen Musterbauordnung, die für alle Bundesländer gilt, wären wir – wäre der Holzbau – schon erheblich weiter.

Darüber hinaus werden wir immer wieder mit bürokratischen Auflagen konfrontiert, die unmöglich ernst gemeint sein können. Ich spreche hier zum Beispiel die Pflicht für Holzbau-Unternehmen an, bei Abgabe von Angeboten für öffentliche Bauvorhaben die Herkunft des zum Verbau bestimmten Holzes aus nachhaltiger Forstwirtschaft lückenlos nachzuweisen. Der DHV ist sich mit dem Deutschen Holzwirtschaftsrat einig, dass die betreffende Verordnung, die Unternehmen und Zulieferer zu bürokratischen Zertifizierungen zwingt, schleunigst wieder abgeschafft gehört. Dies gilt umso mehr, als sich durch irgendein Siegel an der Beschaffenheit des Naturbaustoffs rein gar nichts ändert. Wir brauchen weniger, nicht mehr Bürokratie am Bau!

Redaktion: Aktuell wird die Verwendung von Holz als Baustoff vor allem unter dem Aspekt des Klimaschutzes diskutiert. Gibt es eigentlich genügend Holz, um den Bedarf zu decken?

Konstantin zu Dohna: Natürlich reicht der Holzvorrat in unseren nachhaltig bewirtschafteten Forsten aus, um den Bedarf zu decken. Deshalb verarbeiten die Unternehmer des DHV auch Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft – und keineswegs Tropenholz oder dergleichen, wie manche Menschen glauben. Deutschland ist das waldreichste Land Europas; der Holzvorrat ist immens, der Holzüberschuss steigt ständig. Sowohl qualitativ als auch quantitativ besteht kein Grund zur Annahme, Forst- und Sägewirtschaft seien der Nachfrage auf Dauer nicht gewachsen.

Redaktion: Es gibt Stimmen, die das Gegenteil behaupten …

Konstantin zu Dohna: Es gab auch mal eine Zeit, in der man felsenfest davon überzeugt war, dass die Erde eine Scheibe sei. Im Ernst: Worum es hier wirklich geht, ist die Tatsache, dass Holz als einziger 'echter' Baustoff Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnimmt, speichert und das Globalklima dadurch entlastet. Da es eine einzigartige Eigenschaft des Baustoffs Holz ist, den Klimakiller CO2 zu binden, haben die anderen Baumaterialien unter dem Aspekt des Klimaschutzes das Nachsehen. Ich will hier gar keinen Eignungsvergleich verschiedener Baustoffe für diese oder jene Verwendung anstellen; das sind aus meiner Sicht nachgelagerte Fragen. Wichtig und richtig finde ich, dass das Bauen mit Holz mindestens für öffentliche Bauvorhaben offiziell gefordert und besonders gefördert wird, um dem Primat des Klimaschutzes Rechnung zu tragen. Nach Erklärung des Klimanotstandes durch die Städte Konstanz und Kiel dürfte jedermann klar sein, worum es geht: Wir müssen es hinbekommen, Häuser zu bauen, ohne die Erderwärmung durch vermeidbaren CO2-Ausstoß unnötig zu befeuern. Schon aus der Verpflichtung zu bestmöglicher Daseinsvorsorge hat die Politik daher das Recht und auch die Pflicht, das Bauen mit dem klimatisch bestgeeigneten Baustoff – Holz! – für öffentliche Bauvorhaben vorzuschreiben. Gesichtspunkte wie die Chancengleichheit verschiedener Baustoffe im Markt, die von Wettbewerbsverbänden ins Feld geführt werden, lenken nur vom eigentlichen Thema ab. Daseinsvorsorge durch bestmöglichen Klimaschutz muss am Bau Vorrang vor dem Wunsch nach chancengleichem Marktzugang haben!

Redaktion: Bauland ist gerade in Ballungsräumen und Schwarmstädten Mangelware. Wo würden Sie Neubauten platzieren?

Konstantin zu Dohna: Möglichkeiten zur Entlastung des Wohnungsmarktes bieten sich durch gezielte Nutzung innerstädtischer Baulücken sowie durch Aufstockung. Aus aktuellen Markterhebungen geht hervor, dass sich in Städten wie Hannover oder Bonn etwa jedes vierte Gebäude zum Aufstocken eignet. Dem wäre in jedem Einzelfall unter statischen Gesichtspunkten nachzugehen. Selbst wenn sich nur ein Teil dieser Gebäude tatsächlich eignet, brächte das „Bauen auf bereits bebautem Grund“ eine spürbare Entlastung. Viele Mitgliedsunternehmen der Verbände DHV, ZMH und 81fünf bieten Aufstockungen in Eigenregie an oder sind bereit, sich bei größeren Projekten zu Arbeitsgemeinschaften zusammenzuschließen, um Aufstockungen von Bestandsgebäuden um ein Geschoss oder zwei erfolgreich umzusetzen. Gerade dafür eignet sich die Vorfertigung verbaubereiter Wand-, Dach- und Deckenelemente, wie sie im modernen Holzbau üblich ist.

Redaktion: Das klingt vor allem für Metropolen interessant, die sich des Zuzugs kaum noch erwehren können. Wie steht es aber um die klassische Domäne des Holzfertigbaus – das Eigenheim im Grünen?

Konstantin zu Dohna: Es steht für mich völlig außer Frage, dass die Kommunen mehr denn je gefordert sind, für die Errichtung neuer Ein- und Zweifamilienhäuser attraktive Baugebiete auszuweisen. Dies kann zum Beispiel durch Ankauf von Flächen aus Privatbesitz, Umwandlung von Ackerland oder die Umnutzung von öffentlichem Grundbesitz ermöglicht werden.

Durch konsequente Erschließung von Baureserven auf Privatgrundstücken lässt sich ebenfalls zusätzlicher Wohnraum schaffen: Bundesweit gibt es rund 580.000 Mehrfamilienhäuser, deren Dachgeschosse sich für einen Ausbau zu Wohnzwecken eignen. Ebenso lassen sich ungezählte Einfamilienhäuser gartenseitig um einen Anbau in Holzrahmen- oder Holztafelbauart erweitern. Professionelle Hausbau-Unternehmen, die sich auf die Erschließung von Ausbau-, Aufstockungs- und Anbaupotenzialen verstehen, finden sich unter den DHV-, ZMH- und 81fünf-Mitgliedsbetrieben.

Redaktion: Herr zu Dohna, herzlichen Dank für Ihre detaillierten Ausführungen!

Leistungsstarke Interessengemeinschaft: DHV, ZMH und 81fünf

Mit zusammen über 300 Mitgliedsbetrieben bilden der Deutsche Holzfertigbau-Verband e.V. (DHV, Ostfildern), die Vereinigung ZimmerMeisterHaus (ZMH, Schwäbisch Hall) und das Unternehmer-Netzwerk 81fünf high-tech & holzbau AG (Lüneburg) eine leistungsstarke Gemeinschaft, die übereinstimmende Interessen gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seit Dezember 2015 gebündelt artikuliert. Größte Organisation in diesem Verbund ist der DHV, der als zentrales Sprachrohr fungiert. Zu den Mitgliedsunternehmen der drei holzwirtschaftlichen Verbände, die das Bauen in Deutschland nachhaltig mitgestalten, zählen Holzfertigbaubetriebe, Architektur- und Planungsbüros sowie Zulieferfirmen aller baubeteiligten Gewerke. Darüber hinaus gehören Sägewerke, Baumaschinenhersteller sowie Dienstleister aus bauaffinen Branchen wie zum Beispiel Gebäude-Energieberater, Statiker, Softwareentwickler, Vermessungsingenieure und Medienvertreter dem holzwirtschaftlichen Interessenverbund an. Das gemeinsame Ziel heißt Holzbau komplett: von der Beratung über die Planung und Vorfertigung bis zur bezugsbereiten Ausführung von Wohnhäusern, Büro-, Gewerbe- und Zweckbauten in allen erdenklichen Formen und Größen. Weitere Informationen: www.d-h-v.de

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Deutscher Holzfertigbau-Verband e.V. (DHV)

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