Der Einkauf kann ganz wesentlich dazu beitragen, dass an Krankenhäusern die Gratwanderung zwischen Kosten und Qualität gelingt. Auch wenn sich die Gesundheitssysteme von Land zu Land unterscheiden, ähneln sich die Herausforderungen; daher lohnt sich ein Blick über die Landesgrenzen. Das unterstrich Dominique Gilsoul vom Gastgeber 3M als Moderatorin der Veranstaltung am 18. September 2019 in Neuss. Das Unternehmen ist mit Medizinprodukten weltweit vertreten und als Partner von Krankenhäusern prädestiniert, um den internationalen Dialog zu fördern. So informierten sich 25 Einkäufer aus Krankenhäusern und führenden Einkaufsgemeinschaften aus neun Ländern zwischen Finnland und der Türkei über Wege zum wertorientierten Beschaffungs-Management – Value-based Procurement – und diskutierten über die Umsetzung in die Praxis.
Umdenken, damit alle Beteiligten profitieren
Hans Bax ist überzeugt: Mit wertorientierter Beschaffung sind Kliniken auf dem richtigen Weg vom reinen Einkauf einzelner Produkte zu ganzheitlichen Lösungen, von denen alle Beteiligten profitieren: Patienten, Kliniken und Lieferanten. Auf Basis seiner langjährigen Expertise im Klinik-Einkauf gab der leitende Berater bei BPC in Brüssel einen Überblick über die Erkenntnisse aus zurzeit 55 registrierten Projekten in Europa: An erster Stelle muss ein Umdenken stehen, weg vom unproduktiven Silodenken. Denn schon bei der Definition der „Werte“ von Lösungen oder Dienstleistungen müssen in interdisziplinären Teams alle Akteure mit ihren Kompetenzen zusammenwirken – neben den Einkäufern etwa die Verantwortlichen aus der Ärzteschaft und dem Pflegebereich bzw. aus den beteiligten Fachabteilungen. Mit statistischen Daten aus Messungen bzw. Befragungen lassen sich die Erkenntnisse verifizieren. Für den Anfang empfiehlt Hans Bax, lohnende Aktionsfelder zu identifizieren, geeignete Teams zusammenzustellen und Pilotprojekte zu starten.
Vertragsrechtliche Aspekte: Sorgfalt geboten
Die Formulierung von Verträgen im Rahmen wertorientierter Beschaffungs-Projekte erfordert ebenfalls ein Umdenken bei allen Akteuren. Das erläuterte Virginie Dor, Anwältin bei CMS in Brüssel und unter anderem Beraterin der Europäischen Kommission zum Thema öffentliche Auftragsvergabe. Gerade bei komplexen Aufgabenstellungen gelte es, die Spezifikationen sorgfältig zu formulieren und insbesondere den gewünschten Outcome exakt zu definieren, ein Punktesystem für die Differenzierung unterschiedlicher Anbieter zu entwerfen und neben Maximal-Preisen gegebenenfalls auch Minimal-Preise festzulegen, um Anbieter von unseriösen Dumpingpreisen auszuschließen. Bei den Verträgen sollten alle denkbaren Aspekte einbezogen werden: „Je mehr im Vorhinein berücksichtigt wird, desto besser wird es in der Praxis funktionieren.“
Handlungsfelder Hypothermie und Hämodialyse
Best-Practice-Beispiele für die Einführung von wertorientierter Beschaffung kamen aus Frankreich und Finnland. Bruno Carrière, Vorstandsvorsitzender der französischen Einkaufsgesellschaft UniHA mit rund 900 angeschlossenen Krankenhäusern, stellte ein Projekt aus dem Krankenhausverbund „Hospices Civils de Lyon“ vor. Dort gilt seit kurzem ein ganzheitlicher Rahmenvertrag mit 3M, der die perioperative Normothermie als Gesamtlösung sicherstellen soll und unter anderem die Mitarbeiter-Schulung einbezieht. Ebenfalls einen Komplett-Service hat man an der Universitätsklinik Helsinki für den Bereich Hämodialyse eingeführt, wie Einkaufs-Managerin Suvi Seppälä berichtete. Beispielsweise wurden Dependancen geschaffen, um den Patienten die Anfahrt zu erleichtern. Beim anschließenden Workshop setzten sich die Teilnehmer mit wichtigen Aspekten auseinander, bei der wertorientierten Beschaffung von Medizinprodukten zu beachten sind, so etwa die Bewertung nach regulatorischen Anforderungen.