Der wirtschaftliche und strukturelle Druck auf Apotheken in Deutschland wächst kontinuierlich. Inmitten von Lieferengpässen, steigenden Betriebskosten, stagnierenden Honoraren und komplexen regulatorischen Anforderungen geraten viele Betriebe zunehmend in eine wirtschaftlich angespannte Lage. Hinzu kommt ein fortschreitender technologischer Wandel, der Investitionen in neue Systeme erfordert und das digitale Risiko erhöht. Ein umfassender Versicherungsschutz ist unter diesen Bedingungen kein optionaler Komfort mehr, sondern ein zentrales Element der Risikovorsorge, um die Existenz der Apotheke abzusichern und im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben.
Apothekenbetreiber sehen sich heute mit einer Vielzahl potenzieller Schadensszenarien konfrontiert: Von einem Brand oder Wasserschaden, der das Labor oder die Offizin unbrauchbar macht, bis hin zu Cyberangriffen, die Patientendaten gefährden oder Betriebsabläufe lahmlegen. Auch Haftungsfälle, etwa im Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln oder der Durchführung pharmazeutischer Dienstleistungen, stellen ein ernstzunehmendes Risiko dar. Hinzu kommen klassische Gefahren wie Einbruchdiebstahl oder ein Stromausfall, der die Lagerfähigkeit temperaturempfindlicher Medikamente gefährdet.
Ein zentrales Problem besteht häufig in einer unzureichenden oder veralteten Absicherung. Viele Policen stammen noch aus Zeiten, in denen die Anforderungen und Arbeitsabläufe in Apotheken andere waren. Neue Risiken wie die zunehmende Digitalisierung, der Einsatz externer IT-Dienstleister oder die steigende Bedeutung pharmazeutischer Dienstleistungen wurden darin oftmals nicht berücksichtigt. Die Folge: Im Schadenfall kommt es zu Deckungslücken, langwierigen Auseinandersetzungen mit Versicherern oder gar zu existenzbedrohenden Kosten.
Der Abschluss einer maßgeschneiderten Allgefahrenversicherung („Allrisk“) mit Best-Leistungs-Garantie kann hier eine tragende Säule sein. Ebenso essenziell sind Spezialdeckungen wie eine Cyberversicherung, die nicht nur finanzielle Schäden nach einem Hackerangriff absichert, sondern auch Soforthilfe bei IT-Ausfällen bietet. Auch Vertrauensschadenversicherungen, die bei Vermögensdelikten durch eigene Mitarbeiter greifen, sowie eine umfassende Rechtsschutzversicherung für arbeits-, miet- und sozialrechtliche Konflikte, gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Der wirtschaftliche Druck zwingt viele Apotheken dazu, ihre Kostenstruktur regelmäßig zu prüfen. Versicherungsverträge geraten dabei schnell in den Fokus – leider oftmals mit der Absicht, Beiträge zu senken, ohne die tatsächliche Absicherungssituation ganzheitlich zu analysieren. Das kann sich als folgenschwerer Fehler erweisen. Experten raten daher, nicht allein auf den Beitrag zu achten, sondern auf das tatsächliche Leistungsniveau der Policen. Gerade im Schadenfall entscheidet nicht der Preis, sondern die Qualität der Absicherung über den Fortbestand des Betriebs.
Apothekeninhaber stehen somit vor der Aufgabe, Risiken realistisch einzuschätzen, bestehende Versicherungen regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dabei ist es entscheidend, auch seltene, aber potenziell existenzielle Risiken wie Naturkatastrophen, Betriebsunterbrechungen oder Haftungsfragen mit in den Blick zu nehmen – und nicht nur das Naheliegende abzusichern. Denn die Realität zeigt: Existenzbedrohung entsteht oft dort, wo vorher niemand hinsah.
Kommentar: Apotheken brauchen Risikokompetenz, keine Illusionen
Wer heute eine Apotheke betreibt, braucht nicht nur pharmazeutisches Fachwissen, sondern unternehmerische Weitsicht – und ein realistisches Verständnis von Risiko. Es ist eine bittere Wahrheit, aber eine notwendige: Selbst die am besten geführte Apotheke kann durch ein unvorhergesehenes Ereignis binnen Stunden in eine existenzielle Krise geraten. Ein Wasserrohrbruch, der die Rezeptur unbrauchbar macht. Ein Cyberangriff, der Patientendaten verschlüsselt. Ein schwerer Haftungsfall nach einem Beratungsfehler. Die Liste ist lang – und die Gefahr real.
Umso irritierender ist es, wie oft der Versicherungsschutz in Apotheken stiefmütterlich behandelt wird. Viele Betreiber wiegen sich in falscher Sicherheit: Eine Inhaltsversicherung ist vorhanden, der Beitrag überschaubar – und damit sei das Thema erledigt. Doch das ist ein Trugschluss. Wer sich heute nicht intensiv mit der Qualität, Aktualität und Reichweite seiner Versicherungsverträge beschäftigt, handelt grob fahrlässig – und riskiert im Ernstfall die wirtschaftliche Grundlage seiner Apotheke.
Die Rahmenbedingungen machen es nicht einfacher. Die finanzielle Belastung durch steigende Energiekosten, Personalengpässe und eine unzureichende Vergütung für pharmazeutische Leistungen zwingt viele Apotheken zum Spagat. Investitionen in Digitalisierung und Qualitätssicherung stehen unter Druck, ebenso wie der Wunsch, Rücklagen zu bilden oder Modernisierungen vorzunehmen. In diesem Spannungsfeld erscheint es verlockend, bei Versicherungen zu sparen. Doch gerade das kann sich als tödlicher Fehler erweisen.
Apotheken brauchen heute mehr denn je eine funktionierende Risikostrategie – und die beginnt mit einer ehrlichen Analyse der Schwachstellen. Wer etwa auf digitale Infrastruktur setzt, aber keinen Schutz vor Hackerangriffen hat, spielt mit dem Feuer. Wer pharmazeutische Dienstleistungen anbietet, aber keine erweiterte Haftpflichtversicherung prüft, handelt leichtsinnig. Und wer sich auf pauschale Standardverträge verlässt, ohne zu wissen, was im Schadenfall tatsächlich geleistet wird, lebt gefährlich.
Es ist höchste Zeit für ein Umdenken. Apotheken sind systemrelevant – aber auch verletzlich. Ein nachhaltiger Versicherungsschutz ist keine bürokratische Pflichtübung, sondern ein unternehmerisches Instrument, um handlungsfähig zu bleiben. Was es dafür braucht, ist kein blinder Policenkauf, sondern Risikokompetenz. Wer sie nicht besitzt, sollte sie sich ins Haus holen – bevor es zu spät ist.
Von Engin Günder, Fachjournalist