Der Konflikt um Retaxationen bleibt ein Dauerbrenner im Verhältnis zwischen Apotheken und Krankenkassen, wobei die sogenannte Null-Retaxation Apotheker landesweit in eine finanzielle Zwickmühle bringt. Der Vertrag zwischen dem Deutschen Apotheker Verband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband erlaubt den Krankenkassen, Erstattungen für Rezepte zu verweigern, wenn geringfügige Formfehler vorliegen. Ein fehlendes Dosierungsschema, eine unklare Verordnung oder ähnliche formale Unachtsamkeiten reichen aus, um die volle Erstattung zu versagen. Diese Praxis basiert auf dem Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 12 SGB V, das die Krankenkassen zur sparsamen Mittelverwendung verpflichtet. Für Apotheken bedeutet dies jedoch häufig, dass sie sich vor enormen bürokratischen Hürden und empfindlichen finanziellen Einbußen wiederfinden. Viele Apotheker kritisieren, dass die formalen Anforderungen den realen Bedingungen des Apothekenalltags kaum gerecht werden und ein erhebliches Risiko darstellen.
Zusätzlich zur Problematik der Null-Retaxationen belasten finanzielle Engpässe und Lieferstopps den Betrieb zahlreicher Apotheken. Dies zeigt sich besonders dramatisch, wenn Großhändler plötzlich die Lieferungen einstellen. So erlebte eine insolvente Apotheke, die sich gerade in der Eigenverwaltung befand, dass ihr Großhändler die Bestellfunktion blockierte – eine Entscheidung, die ohne Vorwarnung und aufgrund einer offenen Rechnung getroffen wurde. Die Apotheke, die täglich auf Medikamente und medizinische Produkte angewiesen ist, um ihre Kundschaft zu versorgen, sah sich plötzlich mit einer Unterbrechung der Lieferkette konfrontiert. Für die betroffene Apotheke war dies ein herber Schlag, da der wirtschaftliche Spielraum ohnehin eng begrenzt war und das Vertrauen der Kunden im täglichen Betrieb oberste Priorität hat. Solche Ereignisse veranschaulichen die Fragilität des Apothekenwesens in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit.
Versorgungsengpässe, die sich derzeit vermehrt auf dem deutschen Arzneimittelmarkt bemerkbar machen, verschärfen die Herausforderungen. Häufig bleibt Apotheken in solchen Fällen nur der Weg, Arzneimittel aus dem Ausland zu importieren, um ihre Kunden zuverlässig zu versorgen. Einzelimporte unterliegen jedoch strengen Auflagen, die die Sicherheit der Medikamente und eine korrekte Abrechnung gewährleisten sollen. Apothekenbetreiber stehen daher oft vor einer komplexen und kostenintensiven Bürokratie, die nicht nur einen erheblichen Mehraufwand bedeutet, sondern auch Risiken mit sich bringt, wenn Fehler bei der Abrechnung gemacht werden. Diese Importe, obwohl sie die Versorgung der Patienten sicherstellen, sind also keine einfache Lösung, sondern bringen zahlreiche Herausforderungen mit sich, die Zeit, Kosten und detailliertes Wissen über regulatorische Vorschriften erfordern.
Ein weiteres Beispiel für die vielseitigen Hürden, denen sich Apotheken stellen müssen, zeigt sich bei technischen Umstellungen. So entschied sich der neue Betreiber einer Apotheke für einen Softwarewechsel von Apotechnik zu Pharmatechnik, in der Hoffnung, den Betrieb effizienter gestalten zu können. Doch Apotechnik stellte sich quer und verweigerte kurz vor dem Wechsel die Herausgabe der Kundendaten. Zudem erhob das Softwareunternehmen unerwartete Forderungen, die der Apotheker als „unvorhersehbar und nicht rechtmäßig“ beschrieb. Diese Situation führte zu einem erheblichen Rückschlag, da der Betriebsablauf durch die unzugänglichen Kundendaten ins Stocken geriet. Der Vorfall zeigt, wie wichtig es ist, bei technischen Veränderungen die Kooperation von Dienstleistern zu sichern und Verträge so zu gestalten, dass Apotheken bei Änderungen nicht in Schwierigkeiten geraten.
Die Unsicherheiten in der Gesundheitspolitik tragen zusätzlich zur Belastung bei. Jüngste Sondierungen in Brandenburg zwischen der SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zeigen, dass gesundheitspolitische Themen derzeit kaum konkrete Beachtung finden. Apotheken und niedergelassene Ärzte wurden im Sondierungspapier nicht namentlich erwähnt, was zu Bedenken führt, ob die gesundheitliche Versorgung, besonders in ländlichen Regionen, ausreichend Berücksichtigung finden wird. Der Mangel an konkreten Maßnahmen zur Stärkung des Gesundheitswesens könnte insbesondere für Apotheken negative Folgen haben, die schon jetzt mit einem Fachkräftemangel kämpfen.
Sicherheitsbedenken nehmen für Apotheken ebenfalls zu, da sie nicht nur physisch, sondern auch digital angegriffen werden können. Kürzlich verhinderte eine mutige Apothekerin in Idstein einen nächtlichen Einbruchsversuch, als sie die Täter überraschte, die bereits den Bewegungsmelder beschädigt hatten. Diese physische Bedrohung zeigt die Notwendigkeit eines erhöhten Einbruchschutzes auf. Auf digitaler Ebene sind Apotheken zunehmend Ziel von Cyberkriminellen, da sie täglich mit sensiblen Patientendaten arbeiten. Cyberangriffe, insbesondere durch Ransomware, können nicht nur hohe finanzielle Schäden verursachen, sondern auch das Vertrauen der Kunden erschüttern. IT-Ausfälle oder Datenverluste können zudem die Arbeitsabläufe empfindlich stören und erfordern daher erhöhte Sicherheitsvorkehrungen.
Auch die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung, die während der Corona-Pandemie eingeführt wurde, steht im Fokus der Krankenkassen. Führende Vertreter der AOK und der Techniker Krankenkasse sprechen sich deutlich für deren Erhalt aus und sehen in der Maßnahme eine notwendige Erleichterung für das Gesundheitssystem. Die erhöhte Zahl an Krankmeldungen sei laut den Kassen nicht auf diese Regelung zurückzuführen, und Missbrauchsfälle lägen nicht in signifikantem Maße vor. Vielmehr ermöglicht die telefonische Krankschreibung eine flexible und niederschwellige Lösung, die Patienten und Ärzten gleichermaßen entgegenkommt.
Ein Gerichtsurteil zum Thema Herbstlaub auf Parkplätzen schafft neue Maßstäbe in der Haftungsfrage für Apothekenbetreiber. Im Oktober 2019 stürzte eine Frau auf einem laubbedeckten Parkplatz und forderte Schmerzensgeld sowie die Übernahme ihrer Anwaltskosten. Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin und legte fest, dass regelmäßige Reinigungen erforderlich seien, um Unfälle zu verhindern. Dieses Urteil stellt eine erhöhte Verantwortung für Apotheken dar, die Außenflächen betreiben und sicherstellen müssen, dass diese den Verkehrssicherungspflichten gerecht werden.
Insgesamt zeigt sich, dass Apotheken mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert sind, die sie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch organisatorisch und sicherheitstechnisch erheblich belasten. Diese Themen betreffen die gesamte Struktur des Apothekenwesens, das sich derzeit in einem Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen Hürden, rechtlichen Vorgaben und technologischen Anforderungen bewegt. Um in diesem anspruchsvollen Umfeld bestehen zu können, benötigen Apotheken nicht nur Entlastungen von bürokratischen Vorschriften, sondern auch eine größere Planungssicherheit durch verlässliche politische Rahmenbedingungen.
Kommentar:
Die aktuelle Situation zeigt, dass Apotheken nicht nur als Gesundheitsversorger, sondern auch als wirtschaftliche und logistische Unternehmen verstanden werden müssen, die umfassend mit Herausforderungen konfrontiert sind. Die Null-Retaxationen sind hierbei symptomatisch für ein Ungleichgewicht im Verhältnis zu den Krankenkassen, das auf bürokratischen Anforderungen basiert und die wirtschaftliche Stabilität vieler Apotheken bedroht. Es ist dringend notwendig, dass diese Praxis überarbeitet wird, um den Apotheken nicht durch formalistische Hürden den finanziellen Spielraum zu nehmen, den sie für ihren Betrieb benötigen. Zugleich zeigt der Fall der insolventen Apotheke, wie schnell Versorgungsketten zusammenbrechen können, wenn Lieferanten plötzlich Zahlungsforderungen geltend machen. Die Gesundheit der Bevölkerung darf nicht von der Zahlungsmoral abhängen, und Lösungen müssen her, um solche unvorhergesehenen Engpässe zu verhindern.
Im Hinblick auf die Importarzneimittel wird deutlich, dass die bürokratischen Auflagen hier eine erhebliche Belastung darstellen, die häufig in keiner Relation zur Dringlichkeit der Versorgung steht. Es ist zwar verständlich, dass gesetzliche Vorgaben eingehalten werden müssen, doch wäre eine Vereinfachung der Prozesse im Sinne der Patienten wünschenswert, da Apotheken andernfalls in Notsituationen durch Bürokratie unnötig ausgebremst werden. Auch beim Thema Softwarewechsel wird der strukturelle Mangel an Flexibilität und Rechtssicherheit deutlich, der den Apothekenbetrieb erheblich belasten kann. Die gesetzlichen Grundlagen sollten hier im Sinne der Apotheker angepasst werden, damit solche Maßnahmen ohne unvorhergesehene Hürden durchgeführt werden können.
Die gesundheitspolitische Ebene hingegen zeigt, wie sehr Apotheken auf verlässliche politische Rahmenbedingungen angewiesen sind. Die unzureichende Berücksichtigung von Apotheken im Sondierungspapier von SPD und BSW könnte für die betroffenen Akteure in Brandenburg negative Folgen haben, insbesondere im ländlichen Raum. Eine fehlende Berücksichtigung gesundheitspolitischer Fragen könnte den Versorgungsdruck auf Apotheken in diesen Regionen weiter erhöhen.
Sicherheit ist ein weiteres Thema, das für Apotheken zunehmend Bedeutung gewinnt. Cyberangriffe und Einbrüche gefährden nicht nur die Finanzen, sondern auch das Vertrauen der Kunden und die Zuverlässigkeit des täglichen Betriebs. Ein effektiver Schutz muss daher sowohl physisch als auch digital umgesetzt werden, um Apotheken gegen diese wachsenden Bedrohungen zu wappnen. Ebenso verdient die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung mehr Unterstützung seitens der Politik, da sie eine sinnvolle und patientenfreundliche Ergänzung zum bestehenden Gesundheitssystem darstellt.
Insgesamt wird deutlich, dass Apotheken sich in einem Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen Anforderungen, regulatorischen Vorgaben und einer zunehmend digitalen Zukunft befinden. Die Politik ist aufgefordert, hier Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Apotheken die notwendige Sicherheit geben, um sich auf ihre zentrale Aufgabe – die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung – konzentrieren zu können.
Von Engin Günder, Fachjournalist