Die Apothekenbranche in Deutschland steht vor großen Herausforderungen, die sowohl von technologischen als auch von wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen geprägt sind. Ein Projekt des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) die Bestandsplanung in Apotheken revolutionieren könnte. Traditionell ist die Bedarfsplanung für Medikamente aufwendige Handarbeit, oft geprägt von Unsicherheiten, die zu Über- oder Unterbeständen führen können. Solche Ungenauigkeiten belasten sowohl die Lagerkapazitäten als auch die Betriebskosten der Apotheken. Um diesen Problemen zu begegnen, entwickelt das Fraunhofer IIS unter der Leitung von Data Scientist Julia Schemm eine KI-gestützte Lösung, die die Prozesse in Apotheken effizienter gestalten soll. Dieses Projekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie dem Bayerischen Verbundforschungsprogramm Digitalisierung unterstützt. Diese Initiative könnte eine grundlegende Verbesserung der Abläufe in Apotheken mit sich bringen, da KI sowohl die Bestellmengen optimiert als auch die Lagerverwaltung verbessert. Damit könnten Apotheken nicht nur ihre wirtschaftliche Effizienz steigern, sondern auch die Versorgungssicherheit für Patienten verbessern.
Gleichzeitig sind Apotheken zunehmend Ziel krimineller Banden, die sich auf die Fälschung von Rezepten spezialisiert haben. Insbesondere bei hochpreisigen Medikamenten, wie dem Antidiabetikum Mounjaro, häufen sich die Fälle gefälschter Rezepte, die mittlerweile so professionell sind, dass sie kaum noch vom Original zu unterscheiden sind. Apotheker Nojan Nejatian aus Erzhausen berichtet, dass nur durch enge Zusammenarbeit und Vernetzung unter Apotheken in einigen Fällen die Ausgabe teurer Medikamente verhindert werden konnte. Diese Art von organisiertem Betrug stellt eine erhebliche Bedrohung für Apotheken dar, da hohe Verluste durch die Abgabe gefälschter Rezepte gerade für kleinere Apotheken existenzbedrohend sein können. Diese kriminellen Aktivitäten sind nur ein Beispiel für die zunehmenden Risiken, denen Apotheken ausgesetzt sind.
Darüber hinaus zeigt der Apothekenklima-Index 2024 eine düstere Zukunftsprognose für viele Apotheken in Deutschland. In einer von IQVIA im Auftrag der ABDA durchgeführten Umfrage wurden 500 Apothekenbetreiber befragt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass viele Apotheker zunehmend pessimistisch in die Zukunft blicken. Wirtschaftliche Unsicherheit, Nachwuchsmangel und gesundheitspolitische Veränderungen werden als Hauptsorgen genannt. Viele Apotheker sehen ihre wirtschaftliche Existenz durch stagnierende Umsätze und steigende Kosten bedroht. Dies spiegelt sich auch in den Betriebsschließungen wider, wie etwa im Fall einer traditionsreichen Apotheke, die nach jahrzehntelangem Betrieb ihre Türen für immer schließen musste. Der Inhaber, der die Apotheke von seinem Vater übernommen hatte, kämpfte bis zuletzt mit großem persönlichem Einsatz, oft bis zu 80 Stunden in der Woche, um das Geschäft am Leben zu erhalten. Doch die zunehmende Arbeitsbelastung und die finanziellen Schwierigkeiten machten es unmöglich, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Solche Schließungen verdeutlichen, wie angespannt die Lage vieler Apotheken ist.
Politisch sorgt das geplante Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) für hitzige Diskussionen. Besonders umstritten ist die Einführung sogenannter „favorisierter Apotheken“, die es pflegebedürftigen Versicherten ermöglichen soll, eine Apotheke ihrer Wahl zu bestimmen, die Rezepte für sie einlöst, ohne dass die Patienten die Apotheke persönlich aufsuchen müssen. Kritiker wie die ABDA sehen darin eine Bedrohung für die freie Apothekenwahl und befürchten, dass durch diese Regelung insbesondere große Apothekenketten profitieren könnten, während kleinere, inhabergeführte Apotheken in ihrer Existenz gefährdet werden. Diese Regelung würde es Versicherten ermöglichen, Rezepte auch ohne persönlichen Kontakt oder die Nutzung der E-Rezept-App einlösen zu lassen. Während dies für immobile Patienten von Vorteil sein könnte, befürchten viele Apotheker langfristig eine Monopolisierung des Apothekenmarktes.
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach steht aktuell in der Kritik. Ihm wurde der „BigBrotherAward“ verliehen, ein kritischer Preis, der an Personen vergeben wird, die durch ihre Entscheidungen oder Gesetze den Datenschutz gefährden. Lauterbach erhielt den Preis für seine Rolle bei der Einführung des Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) und des nationalen Gesundheitsdatennutzungsgesetzes. Kritiker, darunter Dr. Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise, bemängeln, dass diese Gesetze den Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten erleichtern, ohne ausreichende Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre zu treffen. Der EHDS soll den Austausch von Gesundheitsdaten innerhalb der EU ermöglichen und so die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben. Allerdings bleibt der Schutz der persönlichen Daten ein zentraler Kritikpunkt.
Trotz dieser Herausforderungen gibt es auch positive Entwicklungen in der Branche. So haben die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) neue Abgaberegeln bei Lieferengpässen beschlossen. Apotheken dürfen bei Engpässen nun auch für Versicherte dieser Institutionen auf die erweiterten Abgaberegeln nach § 129 Abs. 2a und 2b des Sozialgesetzbuches V zurückgreifen. Diese Regelung trat rückwirkend zum 1. September 2024 in Kraft und wird als ein wichtiger Schritt zur Sicherstellung der Versorgung in Krisenzeiten angesehen.
Auf internationaler Ebene zeigt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Krisengebieten, wie wichtig ihre Notfallkits für die medizinische Versorgung sind. Diese Kits, die für die Gesundheitsversorgung von bis zu 10.000 Menschen ausgelegt sind, enthalten wichtige Medikamente und medizinische Ausrüstung. Sie kommen in Kriegs- und Krisengebieten zum Einsatz, wo die medizinische Versorgung zusammengebrochen ist. Die schnelle Bereitstellung solcher Kits kann in Notfällen Leben retten und ist oft eine der wenigen Maßnahmen, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten.
Auch in der Behandlung von Diabetes gibt es bedeutende Fortschritte. Automatische Insulin-Dosiersysteme (AID), die kontinuierliche Glukosemessung mit Insulinpumpen und intelligenten Algorithmen kombinieren, ermöglichen es, den Blutzuckerspiegel von Patienten mit Typ-1-Diabetes nahezu normnah zu halten. Diese Systeme reduzieren nicht nur die Notwendigkeit manueller Eingriffe, sondern verbessern auch die Lebensqualität der Patienten erheblich, da sie eine stabilere Blutzuckerkontrolle ermöglichen.
In der Frauengesundheit zeigt sich ebenfalls ein Trend zu mehr Innovation. Der bayerische Reimporteur Eurimpharm hat sein Sortiment um Produkte zur Unterstützung der Frauengesundheit erweitert. Durch die Zusammenarbeit mit dem monegassischen Hersteller Sérélys, der sich auf frauenspezifische Gesundheitsprodukte spezialisiert hat, bietet Eurimpharm nun Nahrungsergänzungsmittel an, die auf die besonderen Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind.
Kommentar:
Die Entwicklungen in der Apothekenbranche verdeutlichen eindrucksvoll, wie tiefgreifend der Wandel ist, vor dem Apotheken heute stehen. Künstliche Intelligenz bietet enormes Potenzial, um Prozesse in Apotheken zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Gerade in Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Unsicherheit und steigender Kosten ist es wichtig, dass Apotheken neue Technologien nutzen, um ihre Betriebskosten zu senken und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu verbessern. Projekte wie das des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS zeigen, dass technologische Innovationen die Branche nachhaltig verändern können.
Gleichzeitig gibt es aber auch alarmierende Entwicklungen, die auf wachsende Bedrohungen für Apotheken hinweisen. Die Zunahme professionell gefälschter Rezepte stellt eine ernste Gefahr dar, die nicht nur den finanziellen Schaden für Apotheken erhöht, sondern auch die Sicherheitsstandards in Frage stellt. Apotheken müssen sich verstärkt auf solche Bedrohungen vorbereiten, um künftig nicht Opfer organisierter Kriminalität zu werden.
Wirtschaftlich gesehen ist die Lage für viele Apotheken zunehmend schwierig. Der Apothekenklima-Index 2024 bestätigt, dass viele Betreiber pessimistisch in die Zukunft blicken, was angesichts der steigenden Betriebskosten und des Mangels an qualifiziertem Nachwuchs nachvollziehbar ist. Der Fall der traditionsreichen Apotheke, die nach jahrzehntelangem Betrieb schließen musste, steht exemplarisch für die Probleme, mit denen viele kleinere Apotheken zu kämpfen haben. Solche Schließungen haben nicht nur persönliche Konsequenzen für die betroffenen Betreiber, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen, da sie die flächendeckende Versorgung gefährden.
Besonders brisant ist das geplante Apotheken-Reformgesetz, das das fragile Gleichgewicht im Apothekenmarkt stören könnte. Die Einführung favorisierter Apotheken, wie sie im Gesetz vorgesehen ist, könnte zu einer weiteren Monopolisierung des Apothekenmarktes führen und kleinere, inhabergeführte Apotheken verdrängen. Es ist wichtig, dass der Gesetzgeber hier einen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit von Reformen und dem Schutz der Apothekenvielfalt findet.
Die Verleihung des BigBrotherAwards an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zeigt, dass die Sorge um den Datenschutz auch in der Digitalisierung des Gesundheitswesens eine zentrale Rolle spielt. Der EHDS mag Vorteile für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung bieten, doch der Schutz sensibler Gesundheitsdaten muss dabei oberste Priorität haben. Lauterbachs Rolle in diesem Prozess wird zu Recht kritisch hinterfragt.
Letztlich bleibt die Apothekenbranche in Deutschland vorerst in einer angespannten Lage. Es wird entscheidend sein, wie die verschiedenen Akteure – von den Apotheken selbst bis hin zur Politik – auf die wachsenden Herausforderungen reagieren und welche Lösungen gefunden werden, um die Zukunft der Apotheken zu sichern.
Von Engin Günder, Fachjournalist