Hintergrund des Falls war ein Versicherungsnehmer, der aufgrund erheblicher Handgelenksbeschwerden Leistungen seiner Berufsunfähigkeitsversicherung beantragte. Obwohl ein von der Versicherung beauftragter Privatgutachter zu dem Schluss kam, dass der Versicherte zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig war, verweigerte das Unternehmen die Zahlungen.
Der Versicherte reichte Klage beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein, jedoch wies das Gericht die Klage ab, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass er bedingungsgemäß berufsunfähig war, basierend auf einem vom Gericht eingeholten medizinischen Gutachten.
In der Berufung vor dem Oberlandesgericht argumentierte der Versicherte, dass die Versicherung an die Feststellungen des von ihr beauftragten Privatgutachters gebunden sei. Er behauptete, dass aufgrund des pflichtwidrigen Unterlassens der Versicherung, die Leistungsansprüche anzuerkennen, der Fall so behandelt werden sollte, als ob ein bindendes Leistungsanerkenntnis vorliege.
Das Oberlandesgericht entschied jedoch anders. Es wies die Berufung zurück und betonte, dass ein Versicherer weder gesetzlich noch vertraglich an das Ergebnis eines von ihm eingeholten Privatgutachtens gebunden sei. Es sei Sache des Versicherten, seine Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, wenn der Versicherer nach einer Leistungsprüfung keine vertragliche Leistungspflicht sehe.
Das Gericht stellte klar, dass der Versicherer frei sei, das eingeholte Gutachten nach eigenem Ermessen zu bewerten und zu entscheiden, ob er das Ergebnis akzeptiere oder nicht. Es gebe keine Verpflichtung für den Versicherer, sich dem Gutachten vorbehaltlos zu unterwerfen, selbst wenn es zugunsten des Versicherten ausfalle.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verdeutlicht, dass Versicherungsunternehmen einen gewissen Beurteilungs- und Nachprüfungsspielraum bei der Bewertung von Gutachten haben und nicht automatisch an die Ergebnisse gebunden sind. Dies hat potenziell weitreichende Auswirkungen auf die Vorgehensweise von Versicherungsunternehmen bei der Leistungsprüfung. Auch Auswirkungen auf Apotheker als Betroffene sind möglich.
Kommentar:
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg markiert einen wichtigen Meilenstein in Bezug auf die Rechte von Versicherungsnehmern und die Pflichten von Versicherungsunternehmen bei der Leistungsprüfung von Berufsunfähigkeitsversicherungen. Die Klarstellung, dass Versicherer nicht automatisch an die Ergebnisse von von ihnen in Auftrag gegebenen Privatgutachten gebunden sind, bietet eine wichtige Richtlinie für zukünftige Fälle.
Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen und unabhängigen Beurteilung von Gutachten, um die Rechte der Versicherungsnehmer zu schützen und sicherzustellen, dass sie gerecht behandelt werden. Die Entscheidung könnte auch für Apotheker von Bedeutung sein, da sie zeigt, dass die Bewertung von Privatgutachten eine kritische Rolle bei der Prüfung von Berufsunfähigkeitsansprüchen spielt.
Von Engin Günder, Fachjournalist