Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis jemand die Idee des E-Rezept-Terminals aufgriff und sie, sagen wir, ein wenig kreativ weiterdachte. Was als innovative Lösung für unterversorgte Apothekenstandorte geplant war, könnte schnell zum nächsten Albtraum für die Branche werden. Besonders, wenn man bedenkt, wie findig die Akteure auf der anderen Seite der Grenze in Heerlen sein können.
Im beschaulichen Brandenburgischen Prenzlau wollte ein Apotheker ein Zeichen setzen. Er stellte ein E-Rezept-Terminal vor seinen Laden, um den Kundinnen und Kunden einen unkomplizierten Zugang zu ärztlichen Verschreibungen zu ermöglichen. Die Idee: Wer unterwegs ist, kann sein Rezept einfach am Terminal einlösen, ohne den Weg in die Apotheke selbst machen zu müssen. Das klingt erstmal gut, vor allem für Menschen, die es eilig haben. Doch auch in der Hightech-Welt der Apotheker gilt: Kein System ist wirklich sicher.
Es dauerte nicht lange, bis das Terminal Aufmerksamkeit auf sich zog – auch jenseits der deutschen Grenze. Bei DocMorris in Heerlen hörte man von der Neuerung und dachte sich: Warum eigentlich nicht? Statt die mühsame CardLink-Lösung zu pushen, könnte man sich doch einfach direkt an den Kundendaten bedienen. Schließlich war der Durchbruch mit CardLink nicht so verlaufen, wie erhofft, und die lang ersehnte Welle an E-Rezepten blieb aus. Da musste ein neuer Plan her.
Und so kommt es, dass eines Tages eine Kundin in der örtlichen Apotheke auftaucht und nachfragt, warum ihre Medikamente auf einmal mit einem seltsam aussehenden Paket in ihrem Briefkasten landen, statt wie gewohnt über den Botendienst. Das grüne Logo auf der Verpackung sah zwar bekannt aus, aber irgendwie auch nicht ganz richtig. Ein erstes Indiz dafür, dass etwas faul sein könnte.
Der Apotheker, selbst etwas verwundert darüber, warum sein schickes E-Rezept-Terminal nicht die erhoffte Menge an Rezepten generiert, schaut sich das Gerät etwas genauer an. Und siehe da: Ein manipuliertes Kabel entpuppt sich als der Schlüssel zum Rätsel. Irgendjemand – in diesem Fall ein schlauer Kopf aus dem Berliner DocMorris-Büro – hatte sich die Mühe gemacht, den Terminal zu hacken und die E-Rezepte direkt abzuziehen. Die aus dem Supermarkt übertragenen Rezepte landeten also nicht in der heimischen Apotheke, sondern auf geheimnisvollen Wegen bei einem anderen Empfänger. In Heerlen dürften sie sich darüber gefreut haben.
Es ist ein Lehrstück in moderner Cyberkriminalität, das zeigt, wie schnell eine eigentlich gut gemeinte Idee ins Gegenteil umschlagen kann. In der Realität kommt es bislang nicht zu solch dreisten Fällen, aber die Angst ist da. Wenn Rezepte aus solch einem Terminal plötzlich nicht mehr beim Apotheker ankommen, sondern irgendwo im digitalen Nirgendwo verschwinden, stehen schnell Existenzen auf dem Spiel. Ein Apotheker berichtete bereits von 24 verschwundenen E-Rezepten und einem Verlust von über 5000 Euro. Der Schaden war da, die Versicherung übernahm ihn nicht. Eine bittere Pille für den Inhaber.
Doch es geht nicht nur um technische Spielereien und Sicherheitslücken. Vielmehr zeigt der Fall auch, wie tief das Misstrauen in der Branche sitzt. Jede neue Idee, jeder technologische Fortschritt wird nicht nur mit Interesse, sondern auch mit Skepsis beäugt. Schließlich wissen die Apotheker längst, dass sie oft genug zwischen den Stühlen sitzen. Die Versender lachen sich ins Fäustchen, während die lokale Apotheke um jeden Cent kämpft.
Und so bleibt die Frage offen, ob das E-Rezept-Terminal wirklich eine Lösung für strukturschwache Gegenden ist oder ob es nur ein weiteres Beispiel dafür ist, wie technische Innovationen nicht immer nur Segen bringen. Denn was nützt ein Terminal, wenn am Ende doch wieder die falschen abkassieren? Schönefeld wartet jedenfalls weiter auf seine Apotheke – und bis dahin bleibt den Menschen dort vielleicht nur das grüne Kreuz im Supermarkt.
Von Engin Günder, Fachjournalist