Inmitten der anhaltenden Sommerhitze stellen sich viele Menschen die Frage, wie viel Wärme der menschliche Körper tatsächlich aushalten kann. Jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die maximal tolerierbare Hitze möglicherweise weit niedriger ist als bisher angenommen. Ein zentrales Konzept in diesem Zusammenhang ist die Feuchtkugeltemperatur (tF), die die niedrigste Temperatur angibt, die durch Verdunstung von Wasser in der Luft erreicht werden kann. Diese Temperatur wird mit einem Psychrometer gemessen, einem speziellen Thermometer, dessen Kugel mit einem feuchten Stoff umhüllt ist.
Die Feuchtkugeltemperatur ist entscheidend für die Regulierung der Körpertemperatur, da der Mensch durch Schwitzen versucht, sich abzukühlen. Eine Studie aus dem Jahr 2010, veröffentlicht im renommierten Fachjournal »PNAS«, hat gezeigt, dass der menschliche Körper bei einer Hauttemperatur von mehr als 35 °C Schwierigkeiten hat, seine Kerntemperatur stabil zu halten. Längerfristig führt eine solche Hauttemperatur zu einer gefährlichen Erhöhung der Körperkerntemperatur, was als Hyperthermie bekannt ist. Diese kann bereits bei Hauttemperaturen von 37 bis 38 °C auftreten und im Extremfall tödliche Körperkerntemperaturen von 42 bis 43 °C erreichen.
Aktuelle Forschungen werfen jedoch neue Fragen auf. Professor Ollie Jay von der University of Sydney hat in einer umfassenden Studie, die im Fachjournal »Nature Communications« veröffentlicht wurde, die bisherigen Modelle überprüft. Jay und sein Team berücksichtigten realistischere Bedingungen, darunter Bewegung, direkte Sonneneinstrahlung und unterschiedliche Altersgruppen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die maximal tolerierbare Feuchtkugeltemperatur für junge Menschen zwischen 26 und 34 °C liegt, während für ältere Menschen diese Grenze noch niedriger sein kann, etwa zwischen 22 und 34 °C. Die reduzierte Fähigkeit älterer Menschen, effektiv zu schwitzen, macht sie besonders anfällig für Hitzestress.
Zusätzlich haben die Forschungen aufgezeigt, dass die Wirksamkeit von Ventilatoren stark von der Luftfeuchtigkeit abhängt. Unter trockenen Bedingungen können Ventilatoren bis zu Temperaturen von etwa 38 °C eine spürbare Abkühlung bewirken. In feuchter Luft jedoch, können sie den Hitzestress sogar verstärken, da sie die Luftzirkulation nicht ausreichend erhöhen können, um die Verdunstung zu unterstützen. Das Befeuchten der Haut erweist sich in beiden Szenarien als eine effektive Methode zur Temperaturregulierung. Diese Erkenntnisse sind besonders relevant für die Anpassung von Strategien zur Hitzeprävention und -bewältigung.
Die laufenden Forschungen haben weitreichende Implikationen für die öffentliche Gesundheit, insbesondere im Kontext der globalen Erwärmung und der zunehmenden Häufigkeit von Hitzewellen. Die Anpassung von Gesundheitsrichtlinien und Schutzmaßnahmen an die realen Bedingungen und individuellen Bedürfnisse der Bevölkerung ist von entscheidender Bedeutung.
Kommentar:
Die jüngsten wissenschaftlichen Ergebnisse zur Hitzetoleranz des Menschen stellen einen bedeutenden Fortschritt im Verständnis der gesundheitlichen Risiken extremer Temperaturen dar. Die Tatsache, dass die maximal tolerierbare Feuchtkugeltemperatur niedriger ist als zuvor angenommen, unterstreicht die Dringlichkeit, genauere und individuell angepasste Schutzmaßnahmen zu entwickeln.
Die Forschung von Professor Jay bietet wertvolle Einsichten in die unterschiedlichen Hitzetoleranzen bei verschiedenen Altersgruppen und unter variierenden Umgebungsbedingungen. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass insbesondere ältere Menschen durch reduzierte Schwitzfähigkeit besonders gefährdet sind. Solche differenzierten Betrachtungen sind unerlässlich, um gezielte und effektive Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit zu entwickeln.
Für die breite Öffentlichkeit sind die praktischen Ratschläge zur Hitzeprävention, wie das Befeuchten der Haut und der gezielte Einsatz von Ventilatoren unter bestimmten Bedingungen, sofort umsetzbar und können helfen, die negativen Auswirkungen der Hitze zu verringern. Angesichts des sich verändernden Klimas und der steigenden Häufigkeit von Hitzewellen ist es entscheidend, diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Entwicklung und Anpassung öffentlicher Gesundheitsstrategien einfließen zu lassen. Nur durch kontinuierliche Forschung und angepasste Präventionsmaßnahmen können wir die Gesundheitsrisiken durch extreme Hitze effektiv managen und die Lebensqualität aller Menschen schützen.
Von Engin Günder, Fachjournalist