Der Informationsbedarf der Branche ist also riesig! Man soll mit Superlativen sparsam umgehen, doch hier ist er in jedem Fall angebracht: Bestes Beispiel ist ein Web-Seminar der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW), das heute Vormittag stattfand. Den Ausführungen der drei Energieexperten Dr. Thomas Wolf, Dr.-Ing. Matthias Koch und Joachim Held von der renommierten Beratungskanzlei Rödl & Partner folgten aufmerksam fast 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Stadtwerkewelt. Ihre sehr diversen Fragen zeigten, wo der Schuh aktuell noch besonders drückt.
Unwägbarkeiten für Stadtwerke: Ankündigungsfristen
Generell ist das Vorgehen rund um die beiden Umlagen klar. Doch im Detail ergeben sich für Stadtwerke einige Unwägbarkeiten. Die erste hängt mit der Kurzfristigkeit der Festlegung der Umlagenhöhen zusammen: Grundsätzlich gilt, dass es sich bei der Gasbeschaffungsumlage nach Paragraph 26 des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) laut Rechtanwalt Dr. Thomas Wolf „im Grunde nach um eine ganz normale Preiserhöhung handelt, wenn Sie das gegenüber dem Verbraucher weitergeben“. Das heißt, es greifen trotz der kurzfristigen Umlagenfixierungszeiträume die Mitteilungspflichten für Sonderkunden von vier Wochen und für Grundversorgungskunden von sechs Wochen vor Umsetzung des neuen Preises. Damit müssen etwaige Preisanpassungsbriefe im Grunde genommen am Tag der Festlegung der letzten der beiden Umlagen an Kundinnen und Kunden versandt werden. Eine zeitnahe Veröffentlichung der Preisanpassungsabsicht auf der eigenen Webseite sowie ggf. in den örtlichen Medien ist parallel angeraten.
Zwar gibt es von Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums Überlegungen, die Systematik des Paragraph 24 EnSiG, sprich Aufhebung der brieflichen Mitteilungspflicht sowie Fristverkürzung, auch auf den Paragraph 26 zu übertragen. Bis diese Anpassung in Gesetz bzw. Verordnung indes vorgenommen werden, muss das Greifen der neuen Umlage(n) jedoch wie eine ganz normale Preiserhöhung behandelt werden.
Festpreisverträge: Prüfung von Fall zu Fall nötig
Eine Besonderheit stellen Festpreisverträge dar. Hier ist eine generelle Weitergabe der Umlagen durch Energieversorger nicht ohne weiteres möglich. Dies hängt davon ab, welche Preisbestandteile genau die Preisgarantie umfasst. Bezieht sich die entsprechende Formulierung zur Ausklammerung bestimmter Preisbestandteile von der Preisgarantie jedoch etwa zusammenfassend auf „hoheitliche Abgaben“, ist die Gasbeschaffungsumlage davon nicht erfasst, da es sich nach Auffassung der Experten von Rödl & Partner „weder um eine Steuer noch um eine Abgabe handelt“.
Für Fernwärmeversorger ergibt sich eine besondere Situation: Für sie stellt die Gasumlage eine Erhöhung der Erzeugungskosten dar, insbesondere der Erdgasbezugskosten. Es handelt sich hier um einen anderen Anpassungstatbestand. Insofern sind die Möglichkeiten zur Weitergabe nicht so einfach wie bei Gaslieferverträgen. Der Gesetzgeber hatte in der AVBFernwärmeV zwar eine Berücksichtigung vorbereitet, allerdings bezieht sich die umgesetzte Änderung der Verordnung auf den Paragraphen 24 des EnSiG. Damit greift dies im Fall der Gasbeschaffungsumlage nicht. Allerdings könnte in extremen Einzelfällen der Tatbestand der Störung der Geschäftsgrundlage greifen. Joachim Held räumt denn auch ein: „Wir sind in einer allgemeinen Krise, insofern ist das als ultima ratio immer mitzudenken, ob man das in Anspruch nehmen kann.“
Umsatzsteuer: Keine Befreiung für die deutschen Gas-Umlagen
Bezüglich der breit diskutierten Ausnahme von der Umsatzsteuerbelastung ergibt sich wenig Spielraum: Die Europäische Umsatzsteuerrichtlinie legt fest, auf was Umsatzsteuer anfällt. „Von daher ist das Stand heute umsatzsteuerpflichtig, muss also mit der Umsatzsteuer belegt werden. Die EU wird für die deutsche Gasumlage keine Ausnahme machen.“
Insgesamt darf die sich hier abzeichnende Mehrbelastung für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht unterschätzt werden. Wie Dr.-Ing. Matthias Koch resümiert, führt die Einführung der Gasbeschaffungsumlage bei gleichbleibendem Verbrauch, 2021 waren das insgesamt rund 999 Terawattstunden, zu einer Netto-Mehrbelastung, je nach Umlagenhöhe, von 15 bis 50 Milliarden Euro.
Für Stadtwerke ergeben sich hieraus für die nächsten Monate und Jahre insbesondere zwei Herausforderungen: Aufgrund der hohen Mengen- und Preisvolatilität, etwa im Kontext auch der von Seiten der EU verkündeten Gaseinsparpläne, wird zukünftig die Mengenbilanzierung stark an Bedeutung gewinnen. Es gibt bereits jetzt eine hohe Unsicherheit bezüglich des Verbrauchsverhaltens der Kundinnen und Kunden. Daraus ergibt sich künftig die Notwendigkeit eines möglichst konstanten Monitorings der tatsächlichen Ausspeisemengen im Vergleich zur Prognose und damit einhergehend der möglichst umgehenden Anpassung der Prognose, um Abweichungen zwischen dieser und den tatsächlichen Ausspeisemengen möglichst gering zu halten.
Notwendigkeit einer unterjährigen Liquiditätssteuerung
Weiterhin wird ein konsequent verfolgtes Liquiditätsmanagement verbunden mit Liquiditätssteuerung immer zentraler. Dies konnte in der Vergangenheit aufgrund weitgehend stabilen Cashflows nachrangig behandelt werden. Dies wäre vor dem Hintergrund der Preisbelastungen für viele Kundinnen und Kunden jedoch zukünftig eine schlechte Option. Die Aktuelle Krisensituation an den Energiemärkten wird begleitet von einer hohen Inflation. Das sorgt für eine deutliche Verschlechterung der Liquiditätssituation, die sich für eine gewisse Zeit perpetuieren könnte. Damit verbunden ist eine besondere Sorgfalt beim Forderungsmanagement, um Liquiditätslücken möglichst zu vermeiden. Gerade bei Gewerbekundinnen und -kunden sollte zudem verstärkt auch mögliche Anzeichen von Insolvenz (Zahlungsverzug, Ratenzahlungen) geachtet werden. Insgesamt bietet sich eine allgemeine Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen an, speziell der Preisanpassungsklauseln, damit Stadtwerke hier für die Zukunft gewappnet sind.
Ein kleiner Wermutstropfen ergab sich kurz vor Schluss noch für diejenigen Unternehmen, die auf Biomethan gesetzt haben. Rein beschaffungstechnisch ist dieses ja nicht von den Lieferunwägbarkeiten seitens Russlands betroffen. Allerdings, so konstatiert Dr. Thomas Wolf, ist auch Biomethan von den Umlagen betroffen, „da es genauso bilanziert wird wie Erdgas. Es bräuchte eine Ausnahmevorschrift, um Biomethan zu befreien“. Die hat der Gesetzgeber jedoch bis dato nicht geschaffen.