- Die deutsche Wirtschaft konnte ihre gesamtwirtschaftliche Leistung im dritten Quartal wieder stärker erhöhen.
- Die Euroschuldenkrise dämpft die wirtschaftlichen Aktivitäten im Winterhalbjahr.
- Der Beschäftigungsaufbau stabilisiert die binnenwirtschaftliche Nachfrage.
Die deutsche Wirtschaft ist den vorliegenden Konjunkturindikatoren zufolge im dritten Quartal spürbar weiter gewachsen. Hierfür spricht die Erzeugung im Produzierenden Gewerbe, die im dritten Quartal deutlich um saisonbereinigt 1,7 % ausgeweitet wurde [2]. Daneben nahm auch die Beschäftigung in den Dienstleistungsbereichen bis zuletzt kräftig zu. Daher ist davon auszugehen, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal ihre gesamtwirtschaftliche Leistung auf breiter Front steigern konnte [3].
Das europäische und internationale Umfeld hat sich allerdings seit Jahresmitte erheblich eingetrübt. Vor allem die Staatsschuldenkrise in einigen Ländern der Eurozone sorgte bei den Unternehmen, aber auch bei den Konsumenten zunehmend für Unsicherheit. Nach den Konjunkturumfragen haben sich die Zukunftserwartungen der Wirtschaft erheblich verschlechtert. Dies wirkt sich zunehmend auch auf das wirtschaftliche Verhalten aus. Vor allem die Unternehmen agieren vorsichtiger und abwartend.
Dies machte sich in den letzten beiden Berichtsmonaten bei den Umsätzen und seit Jahresmitte bei den Auftragseingängen in der Industrie bemerkbar. Die Auftragseingänge gingen im September um 4,3 % zurück. Sie schwächten sich damit den dritten Monat in Folge ab. Im dritten Quartal lagen sie insgesamt um 3,6 % unter dem Vorquartal. Hierzu trug der Rückgang an Großaufträgen maßgeblich bei. Die zuvor sehr gute Auftragslage normalisierte sich Umfragen zufolge ebenfalls spürbar. Diese Entwicklung wirkte sich auch auf die Industrieproduktion aus. Im September ging sie um 3,0 % zurück, lag aber im gesamten dritten Quartal noch deutlich um 2,0 % über der Erzeugung im zweiten Quartal. Für das vierte Quartal zeichnet sich nunmehr eine sehr ruhige Entwicklung der Industrieproduktion ab. Auch vom Bauhauptgewerbe dürften im Jahresendquartal nur wenig Produktionsimpulse ausgehen, da die Baunachfrage zuletzt ebenfalls etwas nachließ.
Die privaten Konsumausgaben dürften hingegen ihre kurze Schwächephase überwunden haben. Darauf deuten die Umsätze im Einzelhandel hin, die im dritten Quartal um 0,5 % zunahmen, sowie die höheren Zulassungszahlen von neuen Personenkraftwagen. Beständige Impulse für die binnenwirtschaftliche Nachfrage kommen derzeit vom Anstieg der realen verfügbaren Einkommen. Maßgebend hierfür sind die steigenden Löhne und Gehälter sowie die positive Beschäftigungsentwicklung. Die Erwerbstätigkeit nimmt kontinuierlich weiter zu (September: +18.000), wenn auch deutlich langsamer als im ersten Halbjahr. Die Arbeitslosigkeit geht tendenziell weiter zurück. Ihr saisonbereinigt nur leichter Anstieg im Oktober um 10.000 Personen war eine Ausgleichsreaktion auf die starke Herbstbelebung im September. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiterhin hoch und die vorlaufenden Indikatoren deuten nicht auf eine Trendwende hin.
Demgegenüber sind derzeit vom Außenhandel angesichts der gedämpfteren Entwicklung der Weltwirtschaft und insbesondere in der EU und im Euroraum keine größeren Impulse zu erwarten. Die Exportdynamik schwächte sich gegenüber dem ersten Halbjahr merklich ab. Im September erhöhten sich die Exporte in jeweiligen Preisen leicht um 0,9 % und im gesamten dritten Quartal um 2,2 %. Die Einfuhren entwickelten sich mit einem Plus von 1,1 % im dritten Quartal ebenfalls gedämpft. Das Preisklima bleibt angespannt. Zwar nahm der Druck seitens der Einfuhr- und Erzeugerpreise etwas ab. Die Inflationsrate blieb mit +2,5 % im Oktober aber hoch.
Insgesamt ist in den kommenden Monaten mit einer sehr ruhigen Wirtschaftsentwicklung zu rechnen. Nach und nach dürfte die Weltwirtschaft aber wieder etwas mehr Fahrt aufnehmen. Unter der Voraussetzung, dass die dämpfenden Effekte der Euroschuldenkrise nachlassen, ist nach dem Winterhalbjahr von einer allmählichen Beschleunigung der Wirtschaftsentwicklung im Jahresverlauf 2012 auszugehen.
Haupttreiber für die deutsche Konjunktur ist im kommenden Jahr voraussichtlich die Binnennachfrage. Ausgesprochen wichtig wird es hierbei sein, dass sich die positive Beschäftigungsentwicklung fortsetzt. Die Rekordstände bei der Beschäftigung, der Rückgang der Zahl der Arbeitslosen auf den niedrigsten Stand seit 1992 oder auch die nahezu halbierte Zahl der Langzeitarbeitslosen - alles dies ist Ergebnis umfassender struktureller Reformen am Arbeitsmarkt in Verbindung mit beschäftigungsorientierter Lohnpolitik. Diese Fortschritte gilt es jetzt zu sichern und auszubauen, keinesfalls aber zu gefährden. Die bewährte Tarifautonomie ist dabei ein Schlüsselelement. Ein allgemeiner flächendeckender Mindestlohn würde die Rolle der Tarifpartner aushöhlen und wäre deshalb schädlich, gerade für die Jobchancen von Langzeitarbeitslosen oder geringer Qualifizierten. Wirtschaftlicher Maßstab für die Lohnpolitik bleibt letztlich, ob die Unternehmen in der Lage sind, die gezahlten Löhne am Markt zu erwirtschaften. Nur dann lassen sich nachhaltig Einkommen und Beschäftigung sichern.
Hinweis:
Eine ausführliche Darstellung und Kommentierung der wirtschaftlichen Lage und Entwicklung wird in der Dezember-Ausgabe des Monatsberichts "Schlaglichter der Wirtschaftspolitik" veröffentlicht. Die aktuelle Ausgabe wird voraussichtlich Mitte der 47. Kalenderwoche auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zu finden sein.
[1] In diesem Bericht werden statistische Daten verwendet, die bis zum 8. November 2011 vorlagen.
[2] Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich um Veränderungsraten gegenüber der jeweiligen Vorperiode auf Basis preis-, kalender- und nach dem Verfahren Census X-12-ARIMA saisonbereinigter Angaben.
[3] Erste Ergebnisse zum dritten Quartal werden vom Statistischen Bundesamt am 15. November und ausführliche Ergebnisse zum dritten Quartal am 24. November 2011 veröffentlicht.