- Welten zwischen dem Viel und Nichts
Druckluft- und Vakuumtechnik sind heute aus keiner Branche und keinem Fertigungsverfahren mehr wegzudenken. Die Einsatzorte der beiden Querschnittstechnologien sind so vielfältig wie die Gesamtheit der industriellen Produktionswelt.
Druckluft wird sowohl in kleinen Kompressoren in Handwerksbetrieben als auch in aufwändigen Druckluftstationen mit mehreren Megawatt Leistung und umfangreicher Aufbereitung benötigt. Insbesondere die Vakuumtechnik ist zur Schlüsseltechnologie von Industrie und Forschung geworden, und ihre Bedeutung wird zukünftig weiter steigen.
Vakuum: Viel mehr als ein Nichts
Die vier Druckbereiche Grob-, Fein-, Hoch- und Ultrahochvakuum entsprechen den unterschiedlichen industriellen Anforderungen. Der größte Teil der Anwendungen konzentriert sich auf die Bereiche Grob- und Feinvakuum (ein bis 10-3 Millibar). Darunter fallen Branchen wie Lasertechnik, Lebensmittel- und Verpackungstechnik, Lampen- und Röhrenfertigung, Fernwärme, Kälte- sowie Klimatechnik und Automobilindustrie. Im Bereich des Grobvakuums kommen Vakuumpumpen derzeit verstärkt bei der Nachrüstung von Industrieanlagen mit Entschwefelungsanlagen für Rauchgase in Indien und China zum Einsatz.
Der Jahresumsatz der Gesamtheit der Anbieter für Vakuumtechnikkomponenten betrug nach Angaben des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) 2005 rund 3,8 Milliarden US-Dollar (entspricht etwa 80 Prozent des Weltumsatzes). 2006 sind die Umsatzzahlen deutlich gestiegen. "Gemäß den Quartalszahlen rechnen wir für 2006 mit einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar", sagt Jürgen Eisenreich vom VDMA Fachverband Kompressoren, Druckluft- und Vakuumtechnik, Betreuer des Forschungsfonds Vakuumtechnik.
Der Zuwachs erstreckt sich über alle sieben großen Anwendungsbereiche der Vakuumtechnik. Der bedeutendste mit rund 40 Prozent (2005) Anteil ist die Halbleiterindustrie. An dieser Anwendung zeigt sich der Vorteil der Vakuumtechnik: die große Prozessreinheit. Die Chipherstellung arbeitet in einem Hochvakuumbereich von 10-3 bis 10-7 Millibar. Nur in dieser reinen Atmosphäre können bei der Dotierung hundertprozentige Schaltkreise hergestellt werden.
Zwar war und ist die Halbleiterindustrie der weitaus größte Anwender der Vakuumtechnologie. Sie ist bekanntlich aber recht starken zyklischen Entwicklungen unterworfen. Ein stabilerer Markt stellt für viele Unternehmen ein willkommenes weiteres starkes Standbein dar. Dazu zählt die derzeit international boomende Solarbranche mit ihrem Hunger nach so genannten Wafern, dem Trägermaterial für die Modulproduktion - insbesondere für die Dünnschichttechnologie. Die Anforderungen der Halbleiterindustrie und die der Solarbranche sind ähnlich - insbesondere auf dem Gebiet der Plasma-Verfahren.
Der Bereich der Oberflächenbeschichtung und -veredelung hat in der Vakuumtechnik bislang einen Anteil von knapp neun Prozent, umfasst aber vielfältigste Anwendungsbereiche aus der alltäglichen Lebensumwelt: Glas-, Kunststoff- und Stahlbeschichtungen. Dazu zählen Brillengläser, Werkzeug, Türgriffe, Reflektoren in Autoscheinwerfern sowie CDs und DVDs. "Der Bedarf an Vakuumanwendungen im Solarbereich wird wachsen, und der Markt wird für uns eine wichtige Rolle spielen", kommentiert Dr. Gert Fisahn vom System- und Anlagenanbieter PVA Tepla AG in Asslar. Andere Hersteller stimmen dem zu, geben aber auch zu bedenken, dass das neue Marktpotenzial durch die Wafer-Produktion für den Solarbereich schnell wieder gesättigt sein kann.
In diesem Bereich kommt insbesondere der Prozesssteuerung eine wichtige Rolle zu, denn die Wafer-Herstellung bedingt lang anhaltend hohe Temperaturen. Auch der Forschungsfonds des VDMA arbeitet derzeit an Lösungen für den Wärmehaushalt von Vakuumpumpen. Um Überhitzungen an ölfrei, also trocken laufenden Drehscheibenpumpen auszuschließen, wird vor allem an der Geometrie der Schrauben und der Spaltengröße geforscht. Zudem ist die Partikelverträglichkeit der Pumpen ein Thema.
Seit Oktober 2006 beschäftigt sich ein weiteres Projekt des VDMA-Forschungsfonds Vakuumtechnik mit der Früherkennung von Störungen durch intelligente Sensorsysteme. "Ein Ausfall der Vakuumpumpe kann sich durch einen erhöhten Stromverbrauch und ein verändertes Schwingungsverhalten ankündigen", berichtet Eisenreich. Im Zentrum des Interesses steht die bestmögliche Abbildung des Betriebszustandes. Die Digitalisierung der Steuerung von Vakuumanlagen steht damit neben der Erzeugungstechnologie im Fokus des Interesses bei Herstellern und Anwendern.
Druckluft: Effizient und bedarfsgerecht
Fast alle Branchen des produzierenden oder weiterverarbeitenden Gewerbes setzen auf Druckluft. Die Anforderungen sind so vielfältig wie die Anwendungsgebiete. "Ein großes Thema in der Branche ist und bleibt das Stichwort Energieeffizienz", sagt Matthias Zelinger, Referent beim VDMA Fachverband Kompressoren, Druckluft- und Vakuumtechnik.
Laut Expertenmeinung liegt das Einsparpotenzial bei der Druckluft zwischen fünf und 50 Prozent. Die Hersteller sind mittlerweile auf diesem Gebiet gut aufgestellt und bieten Management-Tools, professionelle Audits, Analysemethoden und Fernüberwachungssysteme an. "Das Stichwort Lebenszyklusmanagement spielt eine große Rolle", so Zelinger. Neben der Kosten- und Energieeffizienz steht die wirtschaftliche und prozesssichere Verteilung der Druckluft im Vordergrund. Zudem sind Anwender weiterhin an spezifischen Aufbereitungskomponenten interessiert, die eine bedarfsgerechte Entsorgung des Druckluftkondensats ermöglichen.
Viele Hersteller bieten nach wie vor ein Druckluft-Contracting an. Kunden mit gut kalkulierbaren Bedarfsmengen haben mit diesem Rundum-Sorglos-Paket Vorteile. Bei weniger vorhersehbaren Mengen hingegen sollten eventuelle Bedarfsanpassungen möglichst einkalkuliert werden.