- EU-Kommission leitet zweiten Schritt gegen Bundesrepublik Deutschland im Must-Carry-Verfahren ein
- VG Hannover legt Must-Carry-Regulierung in Niedersachsen dem EuGH vor
- Konkretisierung von Must-Carry-Vorgaben auf EU-Ebene gefordert
- Kabelverband setzt sich für bundesweite Regelung der analogen Kanalbelegung ein
Die medienrechtlichen Vorgaben zur zwingenden Einspeisung von analogen Programmen in die Kabelnetze ("Must-Carry") geraten weiter unter Druck aus Brüssel: Die Europäische Kommission hat gestern im Rahmen des im Dezember 2006 initiierten Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland die nächste Stufe eingeleitet. Die Kommission bleibt damit bei ihrer Auffassung, dass - entgegen der von den Ländern vorgebrachten Argumentation - die vollhoheitliche Must-Carry-Regulierung in Niedersachsen nicht mit den entsprechenden EU-Vorgaben vereinbar ist.
Auch von anderer Seite kommt das überkommene Belegungsregime unter Druck. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) wird sich ebenfalls mit der Umsetzung von Artikel 31 der Universaldienstrichtlinie in Deutschland befassen. Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 14. Juni 2006 in einem Verfahren der Kabel Deutschland gegen die Niedersächsische Landesmedienanstalt beschlossen, die Frage der Zulässigkeit der Privilegierung von DVB-T Programmen im analogen Kabel und die Vereinbarkeit des niedersächsischen vollhoheitlichen Kanalbelegungsregimes mit dem EU-Recht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen (VG Hannover, Beschluss vom 14.6.2007 - 7 A 5462/06).
"Diese Entscheidungen bestätigen uns in unserer Auffassung, dass eine Reihe von analogen Kanalbelegungsregimen in den Bundesländern – von denen Niedersachsen nur ein Beispiel ist - EU-rechtswidrig sind. Die Vergabe von analogen Kanalplätzen wird zum Teil mit sachfremden Kriterien verknüpft, die mit der Meinungs- und Vielfaltsicherung nicht im Entferntesten etwas zu tun haben", so Rüttger Keienburg, Präsident des Deutschen Kabelverbandes. "So erhalten teilweise über DVB-T verbreitete Programme automatisch einen festen Platz im analogen Kabel, ohne dass die Relevanz für die Meinungsvielfalt oder die Verhältnismäßigkeit geprüft werden."
Zusätzlich zu diesen Verfahren werden die Vorgaben für Must-Carry-Regeln Gegenstand der aktuellen Überarbeitung des EU-Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation sein, denn auch in anderen EU-Ländern wurden von der EU-Kommission Verstöße gegen die EU-Vorgaben angemahnt. Der Deutsche Kabelverband wird sich dabei dafür einsetzen, dass dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Belegbarkeit durch den Kabelnetzbetreiber als Regel Geltung verschafft wird. Staatliche Belegungsvorgaben müssen strikt am Ziel der Meinungsvielfalt ausgerichtet, dem Umfang nach angemessen, sowie begründet sein und regelmäßig überprüft werden.
Der Deutsche Kabelverband setzt sich für eine bundesweit einheitliche Obergrenze der Regulierung der analogen Kanalbelegung auf der Ebene des Rundfunkstaatsvertrages ein. "Wir sind nicht gegen maßvolle Must-Carry-Regeln. Unser Ziel sind Regeln, die das Interesse an einer Meinungs- und Programmvielfalt mit den Interessen der Kabelnetzbetreiber an einer flexiblen Nutzung ihrer Kabelnetze vereinen. Die Regelungen über die digitale Kabelbelegung im Rundfunkstaatsvertrag bieten sich vom Grundsatz her als Vorbild an", so Ralf Heublein, Geschäftsführer des Deutschen Kabelverbandes.
In vielen Bundesländern behindern die derzeitigen ausgreifenden analogen Kanalbelegungsregeln die Planung und Realisierung des Übergangs von der analogen auf die digitale Nutzung und damit die Netzaufrüstung, bzw. Digitalisierung. Somit stellen solche Must-Carry-Regeln letztlich auch ein Hindernis für die Schaffung der Voraussetzungen für einen effizienten Infrastrukturwettbewerb zwischen Breitbandkabelnetzbetreibern und DSL-Anbietern dar, womit auch die Entwicklung der Breitbandkabelnetze der nächsten Generation beeinträchtigt wird.
Die aktuellen Arbeiten zum 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zeigen - mit Blick auf die analogen Kanalbelegungsregeln – noch keine Bewegung. Deswegen kommt die Entscheidung der Europäischen Kommission zum richtigen Zeitpunkt. "Es gibt auf Länderebene – nach langjährigen Bemühungen – in einigen Fällen durchaus Fortschritte zu verzeichnen. Bei anderen scheint eher das Motto der Echternacher Springprozession ‚Zwei Schritt vor, ein Schritt zurück‘ vorzuherrschen", meint der Präsident des Deutschen Kabelverbandes, Rüttger Keienburg. "Wir müssen zu einem einheitlichen System kommen, bei dem wirklich nur Vielfaltentscheidungen getroffen werden und nicht Standortentscheidungen oder die wettbewerbsverzerrende Bevorzugung als Morgengabe zur Bewerbung um einen Platz auf einer konkurrierenden Infrastruktur den Ausschlag geben", so Keienburg weiter.
Weitere Informationen zum Thema auf der Webseite des Deutschen Kabelverbandes:
- Pressemitteilung des Deutschen Kabelverbandes vom 12. Oktober 2006
- Positionspapier zur Evaluierung der §§ 52, 53 Rundfunkstaatsvertrag, März 2007
Der Deutsche Kabelverband im Internet: www.deutscherkabelverband.de