- Privatwirtschaftliche Normung muss freiwillig und marktrelevant bleiben
- Maßnahmen zur schnelleren Normungsarbeit und Ausweitung auf Dienstleistungen begrüßenswert
Die Europäische Kommission hat heute den Verordnungsentwurf zur europäischen Normung und die Mitteilung "A strategic vision for European standards" veröffentlicht. Mit der Verordnung sollen die bisherigen drei Richtlinien abgelöst werden, die die Zusammenarbeit zwischen der europäischen Gesetzgebung und der privatwirtschaftlichen Normung regelten.
"Europäische Normen bilden die Grundlage für den freien Warenverkehr in Europa und sind ein wichtiger Eckpfeiler des Binnenmarktes", so Dr. Torsten Bahke, Direktor des DIN Deutsches Institut für Normung e. V., welches die deutschen Interessen in der europäischen und internationalen Normung vertritt. Es sei sehr zu begrüßen, dass die Europäische Kommission die Normung als strategisches Instrument der Wirtschaftspolitik erkannt hat. Normung spielt in der Strategie 2020 der Europäischen Kommission, insbesondere in den Leitinitiativen zur Innovationsunion, Digitalen Agenda und Integrierten Industriepolitik, sowie der Binnenmarktakte eine Rolle.
"Die Europäische Normung wird zu 98 % von der Privatwirtschaft finanziert", so Bahke, "bei aller Euphorie für die Rolle der Normen bei der Durchsetzung politischer Ziele müssen wir daher weiterhin dafür sorgen, dass die Entscheidungen über die Organisation der Normung in den Händen der Privatwirtschaft bleibt." Dort könne auch am besten entschieden werden, welche Normungsprojekte über die notwendige Marktrelevanz verfügen.
Es ist im Laufe der Konsultationen zum Verordnungsentwurf gelungen, die politischen Akteure in Brüssel von den Vorteilen des nationalen Delegationsprinzips zu überzeugen, bei dem alle Interessensgruppen, etwa kleine und mittlere Unternehmen, Verbrauchervertreter oder Vertreter des Umweltschutzes, niedrige Hürden für die Mitarbeit in der Normung vorfinden. Wenn insofern die Idee einer zentralistischen europäischen Normungsbehörde vom Tisch ist, so zeigt der Verordnungsentwurf doch Tendenzen, die Rolle der nationalen Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik zugunsten der europäischen Politik zu schwächen.
Das DIN begrüßt die im Verordnungsentwurf zum Ausdruck kommenden Anstrengungen der Europäischen Kommission, die Normungsarbeit ihrerseits zu beschleunigen, nachdem zuvor die europäischen und nationalen Normungsorganisationen ihre Prozesse deutlich gestrafft hatten.
Der Verordnungsentwurf beinhaltet gegenüber den bisherigen Richtlinien auch Normen für Dienstleistungen, weil sich die Europäische Kommission von einer verstärkten Normungstätigkeit im Dienstleistungssektor positive Effekte zur Vollendung des Binnenmarktes verspricht. Das DIN ist mit Einrichtung der Koordinierungsstelle und des Normenausschusses Dienstleistungen organisatorisch bestens vorbereitet. "Wir sind davon überzeugt, dass Dienstleistungsnormung gerade für deutsche Unternehmen neue Märkte öffnet. Entscheidend ist aber auch hier nicht ausschließlich der politische Wille, sondern der Wille der Dienstleistungswirtschaft, freiwillig Normen zu erarbeiten", so der Direktor des DIN.
Mit Besorgnis werden im DIN die Regelungen im Verordnungsentwurf bezüglich technischer Spezifikationen von Foren und Konsortien im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie gesehen. Ein bedeutender Vorteil der Normung innerhalb der Normungsorganisationen ist die Kohärenz des Normenwerkes, welches die Interoperabilität von Produkten und Systemen sicherstellt. Dieser entscheidende Aspekt wird in der Anforderungsliste an Foren und Konsortien nicht genannt. Die Europäische Kommission behält sich zudem vor, technische Spezifikationen zu IKT-Normen zu machen, ohne den von BDI, BITKOM, DIN und DKE vorgeschlagenen Legitimierungsprozess zu beachten.