Immer wieder haben wir in ECOVIS agrar die positive Finanzrechtsprechung aus München gelobt, die es kleineren und mittleren Betrieben erleichtert, steuersparende Investitionsabzugsbeträge zu bilden. Auch die nachträgliche Gewährung der Anschubfinanzierung, um Steuernachzahlungen zu verhindern oder zu reduzieren, stand auf der Positivliste der Richter. Dagegen hat sich die Finanzverwaltung über fünf Jahre hinweg vehement gegen die für die Betriebsinhaber günstigen Urteile gestemmt. Mittlerweile wurde allerdings der Druck so stark, dass nicht nur die Finanzverwaltung ihre ablehnende Haltung aufgeben musste, sondern darüber hinaus auch der Gesetzgeber die Messlatte für die Anforderungen an den Investitionsabzugsbetrag herabgesetzt hat.
Die Finanzverwaltung hat in ihrem Anwendungserlass am 20. März 2017 viele der bislang bestehenden Hürden fallen gelassen. Der erste wesentliche Aspekt besteht darin, dass sie zunächst Finanzierungslücken schließt. War es bislang nicht erlaubt, im letzten Wirtschaftsjahr vor der Hofübergabe oder der Einbringung des Landwirtschaftsbetriebs in eine Personengesellschaft bei den Übergebern noch einen gewinnmindernden Abzugsbetrag zu bilden, wird dieser nunmehr vollumfänglich akzeptiert. Die Finanzverwaltung gewährt diesen Steuervorteil sogar über die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hinaus auch bei der Einbringung der Höfe in eine Personengesellschaft. Voraussetzung ist lediglich bis zum Wirtschaftsjahr 2014/2015, dass der Hofübergeber oder der einbringende Gesellschafter auf Nachfrage eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Investitionsabsicht erläutern kann.
Darüber hinaus hat die Finanzverwaltung ihre Blockade aufgegeben, nachträglich Investitionsabzugsbeträge zur Minderung von Steuernachzahlungen, insbesondere bei Betriebsprüfungen, bilden zu dürfen. Die Aussage, dass ein IAB nicht mehr nachträglich zur „Kompensation von Mehrergebnissen“ gebildet werden dürfe, wurde ersatzlos gestrichen. Sofern in den nachfolgenden Jahren tatsächlich Investitionen durchgeführt wurden, dürfen Abzugsbeträge, die bislang mangels steuerlicher Auswirkung unterlassen wurden, nunmehr nachgeholt werden, wenn der Betriebsprüfer Geld sehen möchte.
Auch mit der Mär vom Finanzierungszusammenhang hat die Finanzrechtsprechung aufgeräumt. Bei der Ansparrücklage, dem Vorläufer des Investitionsabzugsbetrags, war der Nachweis zu erbringen, dass erst durch die Steuerminderung die Investition in Gang gesetzt werden konnte. Bei der alten Ansparrücklage war diese Forderung noch verständlich, da bei ihr eine rückwirkende Auflösung im Falle der Nichtinvestition nicht vorgesehen war. Seit Einführung des Investitionsabzugsbetrags 2008 hingegen ist bei Nichtinvestition die vorgezogene Abschreibung wieder rückwirkend im Bildungsjahr aufzulösen und entsprechend auch zu verzinsen. „Ein Investitionsabzugsbetrag ohne Investitionsabsicht lohnt sich also nicht“, sagt Helmut Reitberger „sechs Prozent Zinsen auf den Nachzahlungsbetrag sind angesichts des derzeitigen Zinsniveaus keine echte Finanzierungsalternative.“
Helmut Reitberger, Steuerberater bei Ecovis in Erding