Terminservicestellen werden aufgewertet
Änderungen ergeben sich zunächst bei der Vermittlung von Terminen. Bis dato wurden Patienten nur an Fachärzte vermittelt. Nach der neuen Regelung sollen die TSS auch Termine bei Haus- und Kinderärzten verschaffen. Dafür sind keine Überweisungen notwendig. Diese müssen auch nicht bei der Vermittlung von Terminen bei Augenärzten und Gynäkologen vorliegen sowie bei Psychotherapeuten, wenn es um das Erstgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunde geht.
Darüber hinaus sollen die Servicestellen Unterstützung bei der Suche nach einem festen Hausarzt oder Kinderarzt leisten. „Offen bleibt dabei, wie das umgesetzt werden soll. Von Ärzten gemeldete freie Termine an Patienten zu vergeben, ist eine Aufgabe von überschaubarer Komplexität. Wie die Terminservicestellen hingegen bei der Suche nach einem Hausarzt, also letztlich beim Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient, Hilfe leisten sollen, lässt das Gesetz offen“, sagt Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München. Das Gesetz formuliert lediglich eine entsprechende Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), die weder mit einem Incentive unterlegt noch mit einer Sanktion verbunden ist. „Zumindest dieser Teil der Neuregelung dürfte sich als Luftnummer entpuppen“, meint Müller. Ähnliches gilt für die Verpflichtung, Termine zur psychotherapeutischen Akutbehandlung innerhalb von zwei Wochen zu vermitteln: Zwar hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bundesweit rund 800 neue Sitze für Psychotherapeuten geschaffen. Allerdings fehlen entsprechend ausgebildete Ärzte und Psychologen, die diese neuen Stellen auch besetzen könnten. „Dieser Mangel an Therapeuten lässt sich nicht mit einem Federstrich beseitigen“, sagt Müller.
Finanzielle Anreize
Immerhin hat sich der Gesundheitsminister an einigen Stellen bemüht, Anreize zur Umsetzung der neuen Regeln zu schaffen. So soll zum Beispiel die Vergütung für Behandlungsleistungen, die aufgrund der Terminvermittlung durchgeführt werden, außerhalb des Budgets erfolgen und ab September 2019 zusätzlich mit Zuschlägen von bis zu 50 Prozent vergütet werden. Die Höhe der Zuschläge richtet sich danach, wie lange jemand auf einen Termin warten muss:
- 50 Prozent bei Vergabe eines Termins innerhalb von acht Tagen;
- 50 Prozent bei Akutfällen im ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116 117;
- 30 Prozent bei Vergabe eines Termins innerhalb von neun bis 14 Tagen;
- 20 Prozent bei Vergabe eines Termins innerhalb von 15 bis 35 Tagen.
Akute Fälle werden neu verteilt
Ab Januar 2020 sind unter der bundesweit einheitlichen Telefonnummer 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes auch die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) erreichbar – sieben Tage die Woche rund um die Uhr. Außerdem soll es die Möglichkeit geben, Termine auch online zu vereinbaren.
Patienten, die mit akuten Beschwerden die Telefonnummer 116 117 wählen, sollen auf Grundlage eines standardisierten medizinischen Ersteinschätzungsverfahrens in die richtige Versorgungsebene eingespielt werden: entweder in die Arztpraxis, zum ärztlichen Bereitschaftsdienst (Bereitschaftsdienstpraxis oder Hausbesuch), in eine Notaufnahme oder zum Rettungsdienst. Ergibt das Ersteinschätzungsverfahren, dass sich der Patient zügig bei einem Vertragsarzt vorstellen sollte, vermitteln die Terminservicestellen auch kurzfristige Termine – innerhalb von 24 Stunden. Solche Akutfälle werden extrabudgetär vergütet.
Noch mehr Bürokratie
Für diese Akutfälle gibt einen Zuschlag in Höhe von 50 Prozent auf die Grund- oder Versichertenpauschale. Dafür müssen die Vertragsärzte den Abrechnungsschein als „TSS-Akutfall“ kennzeichnen und für den 50-Prozent-Zuschlag die dann neue EBM-Gebührenordnungsposition (GOP) abrechnen. „Der ohnehin große Zeitaufwand für administrative Tätigkeiten in der Arztpraxis wird mit den neuen Anforderungen noch umfangreicher“, kommentiert Ecovis-Rechtsexperte Tim Müller.
Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München