Die Kernergebnisse: In der Privatwirtschaft wird die (nach Fächern gemäß der Häufigkeit der fachlichen Herkunft von Führungskräften gewichtete) theoretische Quote von Frauen in den unteren Führungsebenen heute in der Realität deutlich übertroffen. Nach den in der Langzeitstudie erhobenen Daten und gemäß den Fächeranteilen unter den Führungskräften in der Wirtschaft sollte 2003 der Anteil weiblicher Führungskräfte 29,6% betragen - der reale Anteil auf den unteren Managementebenen lag in 2008 bereits bei 39%. Das bedeutet: Die geschlechtsspezifische Problematik beginnt in der Wirtschaft erst ab dem mittleren Management. Viel gravierender ist sie im Öffentlichen Dienst, etwa bei den Lehrern: Die potenzialbezogene Quote beträgt in 2003 einerseits aufgrund des hohen Frauenanteils im Lehramt und andererseits des höheren Führungspotenzials von Frauen in diesem Beruf 69,9%. Nach aktuellen Länderdaten waren aber nur 49% der Funktionsstellen (vergleichbar mit der unteren Führungsebene) mit Frauen besetzt. Dort liegt also scheinbar eine "Quotenerfüllung" (fast 50%) vor, es werden aber deutlich weniger Frauen in entsprechenden Positionen beschäftigt, als es nach ihrem Potenzial sein sollten. Dies ist besonders auffallend, weil viele in der Wirtschaft bestehenden Probleme beim Aufstieg in das Management, etwa die Erwartung von Auslandsaufenthalten und höhere Arbeitszeit durch Führungsaufgaben, bei Lehrern nicht oder nur in viel geringerem Maß gegeben sind.
Generell ist die Entwicklung des weiblichen Führungskräftepotenzials durch deutliche Zuwachsraten gekennzeichnet. In den letzten Jahren stieg die Zahl potenzieller weiblicher Führungskräfte sowohl absolut als auch relativ zum männlichen Führungskräftenachwuchs kontinuierlich an. Insbesondere in den natur- und rechtswissenschaftlichen Studienrichtungen sind die größten Zuwachsraten in den potenzialadäquaten Frauenquoten zu beobachten: In den Naturwissenschaften beträgt eine gerechte Quote für die Beförderung weiblicher Führungskräfte im Jahr 2009 51,2%, in den Rechtswissenschaften sind es 59,5%. Diese Quoten liegen über dem Frauenanteil an allen Absolventen der beiden Fachrichtungen und sind von 2003 bis 2009 sprunghaft angestiegen.
Die Abschätzungen des weiblichen Führungskräftepotenzials unter Hochschulabsolventen deuten darauf hin, dass es vor allem in höheren Hierarchieebenen kaum Veränderungen im Frauenanteil gibt. Die Gründe dafür liegen einerseits in psychologischen Barrieren durch die immer noch herrschenden Geschlechterstereotypen. Andererseits sollte aber auch berücksichtigt werden, dass sich die Lebensziele von Frauen und damit ihre Motivation zum Aufstieg in Führungspositionen verändern. Dabei ist sowohl eine Steigerung der Aufstiegsmotivation (z.B. aufgrund einer Veränderung der Lebensziele hin zu einer höheren Bedeutung von Macht und Einfluss) als auch ein Absinken der Führungsaspiration denkbar. Eine gründliche Auseinandersetzung mit diesen Gründen ist vonnöten, will man das brachliegende Potenzial gewinnbringend nutzen. Hierzu entwickelt Gerpott eine Reihe von Vorschlägen für Unternehmen und schlägt z.B. Maßnahmen zur Veränderung des Images technischer Studiengänge vor, so dass Frauen weniger in Rollenkonflikte geraten. Weitere Maßnahmen sind die Stärkung weiblicher Rollenvorbilder, Mentorinnenprogramme, Steigerung der Aufstiegsmotivation, Potenzialentwicklungsmaßnahmen oder die Veränderung des Führungskräftestereotyps unter anderem durch eine geschlechtsausgeglichene Darstellung in den Medien sowie eine Redefinition des Anforderungsprofils.