Insbesondere in der Frischeindustrie sind eine Reihe spezifischer Faktoren zu berücksichtigen, die die Prognosegenauigkeit negativ beeinflussen können. Dazu zählen unter anderem die Vielfalt landwirtschaftlicher Kulturen mit differenten Wachstumszyklen, eine intransparente Kommunikation entlang der Supply Chain sowie variierende Digitalisierungsniveaus.
Zur Unterstützung Ihrer Planungsprozesse in der Frischeindustrie für die laufenden Saison haben wir eine Zusammenstellung von zehn praxisorientierten Empfehlungen erarbeitet.
1. Nutzen Erzeuger- & Vertriebs-Know-How
In der Agrarwirtschaft ist eine durchdachte Saatplanung der Grundstein für eine erfolgreiche Ernte und eine optimierte Synchronisierung von Angebot und Nachfrage. Die Integration von detailliertem Know-How aus dem Vertrieb und Kulturwissen der Erzeuger bildet eine starke Grundlage für die Entwicklung von Prognosen. Durch die Einbeziehung von Reifegradentwicklungen und den Auswirkungen des Wetters auf die Qualität der Erzeugnisse können Anbau- & Absatzpläne präziser gestaltet werden. Zusätzlich können Promotionen wesentlich früher geplant werden, da zukünftige Erntemengen gezielter ausgesteuert werden und somit Ressourcen effizienter eingesetzt werden können. Diese Kombination ermöglicht es, die Produktions- und Vertriebsprozesse eng aufeinander abzustimmen und so langfristig die Effizienz zu steigern.
2. Aufbrechen von alten Mustern
In der dynamischen Welt der Frischeindustrie herrscht oft die Ansicht, dass die Unberechenbarkeit der Natur eine präzise Planung unmöglich macht. Diese "Das ist doch gar nicht möglich"-Mentalität wird jedoch durch den Einsatz statistischer Methoden herausgefordert. Fortschrittliche Prognosemodelle haben gezeigt, dass selbst in einem so volatilen Umfeld Vorhersagen mit einer Genauigkeit von bis zu 90% möglich sind. Durch Standardisierung der Basisprozesse sowie Vermeidung repetitiver Abläufe können Ressourcen freigesetzt und der Fokus auf die individuelle Planung der letzten 10% gelenkt werden. Die Abkehr von der Annahme, dass das Frischegeschäft nicht planbar sei, eröffnet neue Wege für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
3. Prüfung digitaler Abbildbarkeit von Lösungen
Die Einführung einfacher digitaler Methoden kann bereits eine erhebliche Steigerung der Gewinne, Transparenz und Effizienz in Unternehmen bewirken. Es hat sich gezeigt, dass nicht zwangsläufig High-End-Lösungen oder eine komplexe Software nötig sind, um Prozesse zu optimieren. Eine pragmatische, nutzerfreundliche App, die es ermöglicht, Daten direkt vor Ort, beispielsweise auf dem Feld, einzugeben, führt zu umgehender Transparenz in der Supply Chain. Eine hohe Akzeptanz der digitalen Lösung von allen Usern ist ein Schlüsselfaktor für den erfolgreichen digitalen Wandel im Unternehmen sowie bei den Erzeugern.
4. Richtigen Planungshorizont finden
Die Vorhersage des Reifezeitpunkts von landwirtschaftlichen Kulturen erfordert eine differenzierte Betrachtung jeder einzelnen Kultur. Durch die Analyse spezifischer Wachstumsparameter und Umweltbedingungen können die individuellen Reifezeitpunkte mit zunehmender Genauigkeit abgeschätzt werden. Eine solch differenzierte Planung übertrifft die traditionelle Gießkannen-Methode und ermöglicht eine präzisere Ressourcenallokation. Die genaue Aussteuerung von Erntemengen führt schlussendlich zu verlässlicheren Zusagen gegenüber den Kunden.
5. Richtige Planungsebene definieren
Die Bestimmung der richtigen Planungsebene ist entscheidend für die Planungsgenauigkeit. Mit zunehmender Aggregation (z.B. über Kulturen hinweg) steigt die Genauigkeit des Forecasts an. Nicht immer ist eine solche Aggregation jedoch möglich, oder sogar von Vorteil. Je nach Kultur und Kundenanforderungen variieren die notwendigen Faktoren, die für einen erfolgreichen Absatz berücksichtigt werden müssen.
So erfordert etwa der Verkauf von ausgewählten Kulturen eine genaue Differenzierung nach Farben, Bio-Zertifizierungen und Größen, während beim Großteil der Kulturen spezifische Unterscheidungen weniger relevant sind. Die Berücksichtigung des Kundenverhaltens ist dabei zentral, um die Planungsebene zu definieren, auf der effektiv agiert und vom Kunden gekauft wird. Eine optimierte Planung auf der richtigen Ebene spart viel Zeit und vermeidet die Beschäftigung mit obsoleten Details.
6. Vorsprung durch KI
Die Kulturendiversität in der Frischeindustrie erfordert eine flexible Planung. So kann die Nutzung von KI in einer digitalen Lösung ein entscheidender Faktor sein, um zum einen Zeit zu gewinnen und somit eine hohe Produktqualität zu gewährleisten und zum anderen Mitarbeiteraufwände zu reduzieren. Die künstliche Intelligenz unterstützt dabei Erntemengen vorherzusagen, was zu verlässlicheren Zusagen an den Kunden führt und Vernichtungsmengen signifikant reduzieren kann. Die gesamte Wertschöpfungskette wird durch diese genaue Aussteuerung von Erntemengen gestärkt.
7. Messung von Genauigkeiten
Die Implementierung einer systematischen Messung der Prognosegenauigkeit ist ein entscheidender Schritt zur Optimierung der Lieferkette. Durch das Aufzeigen der Genauigkeit von Zusagen durch den Vertrieb an Kunden und vom Erzeuger an den Vertrieb wird eine transparente Leistungsbewertung ermöglicht. Zusätzliche Auswertungen auf der Ebene einzelner Kulturen oder Kunden bieten detaillierte Einblicke, um individuelle Verbesserungspotentiale zu identifizieren. Diese zielgerichteten Auswertungen sind die Basis für die kontinuierliche Verbesserung von Prognosegenauigkeiten.
8. Flexible Erntezeitpunkte
Die Flexibilität von Erntezeitpunkten durch eine Verschiebung auf nachfolgende Tage oder Wochen ist ein adaptiver Ansatz, um auf Bedarfs- und Nachfrageschwankungen effektiv zu reagieren. Diese Methode, dessen Anwendbarkeit und Effizienz je nach Kultur variieren kann, setzt eine hohe Transparenz in der Lieferkette voraus. Durch die Flexibilität der Erzeuger wird die Vernichtung von Überschüssen minimiert und gleichzeitig die Warenverfügbarkeit sicherstellt.
9. Transparenz entlang Supply Chain
Fortschrittliche Technologien sowie Kommunikation zwischen allen Akteuren ermöglichen es, in allen Stufen der Supply Chain präzise Informationen transparent bereitzustellen. Dies gewährleistet eine nahtlose Überwachung vom Feld bis zum Markt. Die ständige Verfügbarkeit und transparente Offenlegung von Informationen unterstützt eine agile Anpassung an Marktbedingungen und Umwelteinflüsse, wodurch die Effizienz und Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Lieferketten gesichert werden.
10. Nutzung von Datentransparenz für andere Fachbereiche im Unternehmen
Die gewonnene Datentransparenz ist ein wesentlicher Treiber für eine Effizienzsteigerung in verschiedenen Fachbereichen eines Unternehmens. Sie erleichtert die Planung der Supply Chain, indem sie beispielsweise eine klare Sicht auf Lager- und Transportlogistikbedarfe liefert. Darüber hinaus profitiert der Einkauf von einer verbesserten Bedarfsableitung, die auf von Erzeugern validierten Prognosen basiert. Im Vertrieb hingegen lässt sich die Effizienz durch den Einsatz von Dashboards zur Gegenüberstellung von prognostizierten und tatsächlichen Absatzmengen signifikant steigern und somit Erntemenge besser aussteuern. Die gewonnene Transparenz kann somit gezielt für Absatzförderungsmaßnahmen oder Zukäufe genutzt werden. Die gezielte Gewinnung & Nutzung von Datentransparenz unterstützt eine zuverlässige Planung auf allen Ebenen der Supply Chain.
Fazit
Die konsequente Anwendung der vorgeschlagenen Richtlinien zur Implementierung bzw. Optimierung Ihrer Forecast-Prozesse kann zu einer signifikanten Erhöhung der Prognosegenauigkeit führen, welche schnelle Reaktionen auf dem Markt ermöglicht und somit nachhaltig die Kundenzufriedenheit und den gesamten Unternehmenserfolg erhöht. Es ist von entscheidender Bedeutung, witterungsbedingte Einflüsse frühzeitig in die Planungsstrategie zu integrieren und das umfassende Fachwissen Ihres Vertriebsteams sowie Ihrer Erzeuger zu nutzen. Durch die Kombination dieser Maßnahmen mit einem wohlstrukturierten und transparenten Prognoseprozess lässt sich die Absatzplanung kontinuierlich optimieren und zusätzliche Optimierungspotentiale in verschiedenen Geschäftsbereichen realisieren.
Zu den Autor(en):
Dennis Goetjes ist Partner bei HÖVELER HOLZMANN CONSULTING GmbH, Düsseldorf (www.hoeveler-holzmann.com, Email: dennis.goetjes@hoeveler-holzmann.com) und berät Unternehmen aus der Lebensmittel- & Konsumgüterindustrie.
Eric Hummes (Manager, Email: eric.hummes@hoeveler-holzmann.com) & Simon Wenzel (Senior Consultant, Email: simon.wenzel@hoeveler-holzmann.com) sind bei HÖVELER HOLZMANN CONSULTING GmbH, Düsseldorf auf den Bereich Sales & Operations Planning sowie die nachhaltige Optimierung der gesamten Lieferkette spezialisiert.