Weit weg in den Arabischen Emiraten sind die Frauen in der IT-Branche auf dem Vormarsch. Die dortigen Universitäten verbuchen in technischen IT-Studiengängen aktuell mehr weibliche als männlichen Studenten. In Deutschland jedoch ist ein solcher Trend nicht erkennbar. Vielmehr scheint die IT-Elite der Bundesrepublik in Geschlechterstereotypen zu verharren. Der Hoppenstedt Branchenmonitor "Frauen im IT-Management" zeigt, dass die Führungsetagen der deutschen IT-Unternehmen männlich bleiben. Der Frauenanteil im Topmanagement macht in diesem Sektor nur rund sieben Prozent aus. Barbara Schwarze, Professorin für Gender und Diversity Studies an der Hochschule Osnabrück, sieht die Unternehmen unter Zugzwang: "Ich finde es erstaunlich, dass die IT-Branche nicht selbst viel mehr Energie in die Suche nach weiblichem Führungspersonal steckt." Obwohl der Nachwuchs oft bereits in den eigenen Unternehmen auf Mittelmanagementebene (aktuell 30,2 Prozent) zu finden ist, schaffen es nur die wenigsten Frauen ins Topmanagement. Rund ein Fünftel der Führungskräfte auf erster und zweiter Ebene sind in der IT-Branche weiblich, womit sich diese nicht vom Bundesdurchschnitt (20,3 Prozent) abhebt. Der Frauenzuwachs auf Managementebene in der IT beläuft sich im Zeitraum der letzten sechs Jahren auf 5,3 Prozent.
Frauen in der IT müssen risikobereiter und mutiger werden
Eine der Frauen, die es ins Topmanagement eines Großunternehmens geschafft haben, ist Gisela Strnad, Senior Director Marketing, Communication and Public Affairs Germany bei Fujitsu. Laut Strnad sollten Frauen deutlich risikobereiter und mutiger sein, sich auch anspruchsvolle Aufgaben zutrauen und diese selbstbewusst in Angriff nehmen. So wie es ihre männlichen Kollegen seit Jahrzehnten tun. Auch ihre Erfahrung zeigt, dass Frauen in der IT immer noch eine Seltenheit sind: "Die Teams großer Unternehmen bestehen zu 90 bis 95 Prozent aus Männern. Hier müssen zwingend mehr Frauen ins Management. Nur dann ändert sich das Teamverhalten und die Entscheidungen." Gisela Strnad sieht aber auch die Unternehmen in der Pflicht, denn um "den Frauen das Gefühl der Zerrissenheit zwischen Job und Familie" zu nehmen, müssen die Arbeitgeber Unterstützung bieten. Fujitsu beispielsweise kommt weiblichen Führungskräften mit flexiblen Arbeitszeiten entgegen, damit junge Mütter den Spagat zwischen Kind und Karriere meistern können.
Aufwärtstrend in den Großunternehmen
Der Hoppenstedt Branchenmonitor lässt beim Betrachten des Frauenanteils nach Unternehmensgröße auf unterschiedliche Entwicklungen schließen. Der Trend zeigt, dass sich die Chancen für einen Aufstieg zur Topführungskraft für Frauen in kleinen und mittleren Unternehmen nicht verbessert haben. Während bei den kleinen IT-Unternehmen in den letzten sechs Jahren sogar ein Rückgang von Frauen in Top-Positionen um 0,3 Prozent zu verzeichnen war, stagnierte dieser Anteil bei den mittleren Unternehmen um die Marke 6,6 Prozent herum. Nur in den deutschen Großunternehmen zeichnet sich mittlerweile ein leichter Wandel ab: Der Anteil von Frauen im Topmanagement in Großunternehmen ist seit 2006 kontinuierlich von 3,6 Prozent auf 5,2 Prozent gestiegen. Das selbstgesteckte Ziel des Branchenverbands BITKOM, den Frauenanteil im Topmanagement bis 2020 auf knapp 17 Prozent zu steigern, liegt also noch in weiter Ferne und benötigt starke Strategien zur Umsetzung.
Ost/West-Gefälle in der IT kaum spürbar
Anders als bei der Gesamtbetrachtung in der Hoppenstedt-Studie "Frauen im Management (FiM)" ist in der IT-Branche kein deutliches Ost/West-Gefälle auszumachen. Zwar ist auch in der IT immerhin noch ein Unterschied von 2,6 Prozentpunkten zwischen östlichen und westlichen Bundesländern zu erkennen, doch gibt es hier deutliche Annäherungen. Der Anteil von Frauen im Top- und Mittelmanagement der IT-Unternehmen liegt im Osten bei 22,4 Prozent und im Westen bei 19,8 Prozent. Bei der Gesamtbetrachtung, ohne Unterscheidung nach Branchen, ist die Differenz mit einem Frauenanteil im Top- und Mittelmanagement im Westen von 19,5 Prozent und im Osten von 25,2 Prozent wesentlich klarer. Auch der Bundesländervergleich weist Unterschiede beim Frauenanteil im gesamten Management auf: Die wenigsten weiblichen IT-Führungskräfte finden sich mit 17,7 Prozent in Niedersachsen, die meisten mit knapp 23 Prozent in Berlin und Brandenburg.
Weiterentwicklung? Dafür braucht die IT-Branche mehr Frauen im Chefsessel
Wie der Hoppenstedt-Branchenmonitor zeigt, geben in der Innovationsbranche IT immer noch Männer den Ton an. Gisela Strnad von Fujitsu sieht hier Handlungsbedarf, denn Entwicklungen der vergangenen Jahre wie Internet, Smartphones, Social Networks oder Mobile Business sind schon lange keine "Männerthemen" mehr. "Hier müssen weibliche Einflüsse eine viel größere Rolle spielen, Frauen müssen sich aktiv einbringen und diese Entwicklungen nicht ausschließlich Männern überlassen" so die Kommunikationsexpertin.
Auch Barbara Schwarze, die gemeinsam mit dem Datenbankspezialisten Prof. Dr. Andreas Frey an der Hochschule Osnabrück die Kooperation mit der Hoppenstedt Firmeninformationen GmbH betreut, möchte mehr Engagement der Unternehmen zum Thema "Frauen im Management" sehen: "Ob Software-Entwicklung, -Engineering oder Netzwerktechnologien: IT-Unternehmen brauchen eine neue Vielfalt im Unternehmensmanagement." In Zeiten einer dynamischen Globalisierung mit Kundinnen und Kunden, die in sozialen Netzwerken die Entwicklung von IT-Produkten und Dienstleistungen erheblich mitformen werden, brauchen Unternehmen ein Management, das diese Anforderungen aufnimmt, innovative Entwicklungen erkennt und vorantreibt, so die Professorin. Ohne Veränderungen in den Köpfen der meist männlichen Chefs, sieht die Expertin für Gender und Diversity Studies sogar die Zukunft der IT-Branche in Gefahr: "Das Verharren in einer eher eindimensionalen Kultur, die selbst bei der Integration von Managern aus anderen Ländern Frauen kaum berücksichtigt, ist keine erfolgreiche Strategie für die Zukunft in einer digitalen Gesellschaft, die Unternehmen noch viel mehr an Veränderungskompetenz abfordern wird."
Über die Hoppenstedt-Studie "Frauen im Management (FiM)" und die Datenbasis
Die in Zusammenarbeit mit den Experten der Hochschule Osnabrück entwickelte Hoppenstedt FiM-Datenbank dient als Basis der Studie "Frauen im Management" und des Hoppenstedt Branchenmonitors. Im Fokus des Datenbestandes stehen die 200.000 größten und bedeutendsten Unternehmen nach Umsatz und Mitarbeiterzahl in Deutschland mit 650.000 Personen im Management, für die eine eindeutige Zuordnung zum Top- und Mittelmanagements vorgenommen werden kann. Die Hoppenstedt-Studie "Frauen im Management" liefert somit Aussagen über 132.000 Frauen im Top- und Mittelmanagement. Über Zeitreihen, beginnend 2006, werden konkrete Entwicklungen dargestellt, die es ermöglichen Bundesländer, Regionen und Branchen unter dem Aspekt der Frauen in Führungspositionen näher zu beleuchten. Dem Hoppenstedt-Branchenmonitor "Frauen im IT-Management" liegt eine Sonderauswertung der IT-Branche zugrunde.