Zur Begrüßung und Einführung zeigte Dr. med. Dr. med. univ. Dominic Mühlberger, Herne, die Bedeutung von Venenleiden als Volkskrankheit auf. So seien insgesamt fast 20 % der Bevölkerung betroffen, wobei die Fallzahlen mit zunehmendem Alter sogar zunähmen. In Deutschland gäbe es jährlich zwischen 40.000 und 100.000 Sterbefälle durch eine Lungenembolie.
Mit dem Themenfeld „Venöse Diagnostik: Was macht Sinn, was ist Unsinn?“ startete Dr. med. Jens Tesmann, Stuttgart, das Vortragsprogramm. Nach wie vor seien das Gespräch mit den Patient*innen, die optische Begutachtung sowie das Ertasten die Basis für eine weitere Untersuchung. Schließlich stellte er Vor- und Nachteile verschiedener Diagnosemethoden vor. Seine Empfehlung für einen gelungenen Therapieauftakt: Im Zweifel sei ein getragener Kompressionsstrumpf der Klasse 1 wirksamer als ein Kompressionsstrumpf der Klasse 2, der nicht getragen werde, weil die Behandelten mit der Handhabung überfordert seien.
Im Vortrag „Phlebodynamometrie D-PPG, VVP: Mehr Fallstricke als Aussagekraft?“ beleuchtete Dr. med. Jasmin Woitalla-Bruning, Hamburg, funktionelle Untersuchungen bei einem Venenverschluss. Bei der Volumenmessung mittels Venenverschlussplethysmographie (VVP) könnten durch gezielte Kompression von Blutgefäßen Veränderungen des Widerstands erfasst werden. Mit D-PPG/LRR Systemen würden die Quantifizierung von Venenschwächen und deren hämodynamische Wirksamkeit mittels Licht- und Temperatursensoren ermöglicht. Die Phlebodynamometrie sei der Goldstandard der venösen Funktionsdiagnostik, so Dr. Woitalla-Bruning. Hier werde eine Vene am Fuß mit einem externen Druckwandler verbunden und der Druckabfall bei Belastung gemessen – mit und ohne Stauschlauch. In der Klinik sei die Duplexsonografie die bevorzugte Untersuchungsmethode. Bei allen Messverfahren solle darauf geachtet werden, das Personal gut zu schulen, um Anwendungs- und Messfehler zu vermeiden.
Über die Differenzierung von Lymph- und Lipödem referierte Dr. med. Gabriele Faerber, Hamburg. Die Differentialdiagnose von Lymphödem, Lipödem, Lipohypertrophie und Adipositas sei eine besondere Herausforderung, denn zum einen gibt es Mischformen und zum anderen kann zum Beispiel ein Lipödem zu einem sekundären Lymphödem führen. Der Druckschmerz als Indikator für ein Lipödem führe nicht immer zu einem eindeutigen Ergebnis, da die Schmerzempfindlichkeit von Patient*in zu Patient*in stark variiere. Beim Lymphödem sei eine frühe Differenzierung zur Adipositas wichtig, um so früh wie möglich eine Behandlung einzuleiten.
Einen „großen Blumenstrauß der Differentialdiagnostik“ präsentierte Dr. med. Katrin Kofler, Biberach a. d. Riss zu ihrem Thema „Periphere Ödeme: Schwellung ist nicht gleich Schwellung“. Anhand eines plakativen Beispiels eines 67-jährigen Patienten mit einer Schwellung am Knöchel zeigte sie auf, dass die Diagnostik bei Ödemen in alle Richtungen gehen solle. Denn zuletzt wurde bei dem Patienten eine kutane Spätmanifestation der Borreliose festgestellt. Der Zeckenbiss an der Stelle des Knöchels rief dessen Schwellung hervor. Diese Symptome können nach Monaten oder sogar Jahren auftreten. Frau Dr. med. Kofler betonte, dass es wichtig sei, immer alle Bereiche mit einzubeziehen und sich nicht nur auf die Venen zu fokussieren. Anschaulich erklärte sie danach die vielfältigen Ödemerkrankungen wie periphere Ödeme, Begleitödeme, chronisch-einseitige Ödeme, beidseitige Beinödeme, systemisch bedingte Ödeme, endokrin bedingte Ödeme, medikamentös bedingte Ödeme, aber auch zyklisch-prämenstruelle Ödeme.
Im Vortrag von Dr. med. Dr. med. univ. Dominic Mühlberger, Herne, wurden anhand einer Fallstudie die Vor- und Nachteile unterschiedlicher operativer Behandlungsoptionen aufgezeigt, die entweder auf Erhaltung oder Entfernung der Venen abzielen. Neben dem Überblick zu den gängigen Verfahren wie Crossektomie, Venen-Stripping und Extraluminale Valvuloplastie wurden die Ergebnisse diverser internationaler Studien vorgestellt.
„Endoluminale Methoden: Der Heißheit letzter Schluss?“ fragte Dr. med. Karsten Hartmann, Freiburg, in seinem Vortrag. Endovenöse Verfahren seien mit einigen abzuwägenden Nachteilen verbunden. Angesichts der heute vielfältigen Möglichkeiten der endoluminalen Behandlung empfahl Dr. med. Hartmann bei geschlängelten Rezidiven Laser oder Schaum-Sklerotherapie, bei großen Gefäßdurchmessern segmentale Radiofrequenzablation und bei sehr oberflächlichen Varizen Stripping. Allgemein ermögliche das Spektrum an bewährten und neuen Verfahren eine passgenaue Therapie – insbesondere in Kombination mehrerer Methoden.
Prof. Dr. med. Birgit Kahle, Lübeck, beleuchtete den aktuellen Stand, verschiedene Methoden sowie den Stellenwert der Sklerotherapie. Die Verödungsbehandlung sei effizient, komplikationslos und eigne sich für alle Formen der Varikose. Neben verschiedenen Methoden wie Direktpunktion, Applikation per Kanüle und Butterfly wurde abgewogen, in welchen Fällen besser in flüssiger bzw. aufgeschäumter Form appliziert werden sollte. Allen Methoden sei gemein, dass eine Tagesdosis von 10 Millilitern nicht überschritten werden solle.
Im ersten Vortrag nach der Mittagspause zeigte Bandagistin Veronika Schulz, Tübingen, welche „Differenzierung in der Kompressionstherapie – Serie, Maß, rund, flach, Verordnung?“ wichtig sei. Zu unterscheiden seien Stütz- und Kompressionsstrumpf, Flach- und Rundstrick, Serie und Maßanfertigungen. Außerdem gab Veronika Schulz Tipps für die Verordnung von Zusätzen und die eventuell nötige Rücksprache mit dem*der Arzt*Ärztin.
Physiotherapeut Thomas Zähringer, Hinterzarten, erklärte in seinem Vortrag zu Heilmittel vs. Hilfsmittel, dass sich manuelle Lymphdrainage und intermittierende pneumatische Kompression (IPK) nicht ausschließen müssten, sondern zum Wohle der Patient*innen ergänzend zum Einsatz kämen. Mit der Wunddrainage stellte der Physiotherapeut eine speziell an der Földiklinik praktizierte Technik vor, die den Wundrand drainiere und das Gewebe weicher mache. Außerdem schilderte er die Erleichterung der Behandlung durch die Nutzung medizinischer adaptiver Kompressionssysteme (MAK). Die Behandelten seien stets in die Behandlung einzubeziehen. Dafür zeige er beispielsweise Übungen mit der Faszienrolle, die selbst ausgeführt werden können.
Im folgenden Vortrag standen die medizinischen adaptiven Kompressionssysteme (MAK) erneut im Fokus. So präsentierte Dr. med. Greta Zinser, Lübeck, erste Forschungsergebnisse zur Behandlung des Erysipels mittels MAK. Dabei sei festgestellt worden, dass sich die Kompression positiv auf das Schmerzempfinden auswirke und sich somit das Allgemeinbefinden der Teilnehmenden verbessere.
Einen umfassenden Überblick zu chronischen Wunden aus dermatologischer Sicht vermittelte Prof. Dr. med. Anke Strölin, Tübingen. Man müsse sich beim Auffinden der Ursachen wie Sherlock Holmes auf Spurensuche begeben. Sie stellte rund ein Dutzend mögliche Indikationen und deren typische Anzeichen vor. Schritt für Schritt ließe sich abklären, ob eine Wunde durch Bakterien, Pilze, Parasiten, eine Entzündung oder andere Ursachen ausgelöst wurde. Ihre Checkliste für eine erfolgreiche Behandlung sei: schauen, analysieren, erkennen, verstehen, zweifeln und handeln.
Online zugeschaltet war Prof. Dr. med. Tobias Görge, Münster, mit seinem Thema „Jede Wunde verträgt Kompression – oder doch nicht?“. Im Bereich der phlebologischen Krankheitsbilder sei Kompression ein integraler Bestandteil der Therapie. Bei septischer Phlebitis, dekompensierter Herzinsuffizienz und fortgeschrittener peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) sei Kompression hingegen nicht angezeigt. Risiken für Kompressionsversorgung wären jedoch ausgeprägte nässende Dermatosen, Unverträglichkeit auf Kompressionsmaterial, schwere Sensibilitätsstörungen, fortgeschrittene periphere Neuropathie (Diabetes mell.) und chronische Polyarthritis. Prof. Görge wies darauf hin, dass eine gute Aufklärung der Patient*innen unerlässlich und eine engmaschige Kontrolle erforderlich sei. Er zog das Fazit, immer individuell zu betrachten, bei entzündlichen Erkrankungen eine gewissenhafte Risiko-Nutzen-Abwägung vorzunehmen, aber auch mutig zu sein und breit gefächert zu arbeiten.
Systematisch und übersichtlich präsentierte Dr. med. Carolin Mitschang, Münster online ihr Thema „Wunde und Wundauflagen: Die Qual der Wahl?“ Zu Beginn unterteilte sie Wunden in akute traumatische Wunden, iatrogene Wunden und chronische Wunden. Wobei es sich dann um eine chronische Wunde handle, wenn diese nach 8 Wochen noch nicht abgeheilt sei. Der Wundheilungsprozess durchliefe drei Phasen: Reinigungsphase, Granulationsphase und Epithelisierungsphase. Dr. Med. Mitschang führte durch eine große Anzahl von Produkten, die Ärzt*innen zur Verfügung stünden, um Wunden optimal zu versorgen.
Worauf es beim Einsatz von Kompression bei chronischen Wunden ankommt, vermittelte Carina Heckel, Leitende Oberärztin am Wundzentrum Allgäu Kaufbeuren. Ziele der Behandlung seien eine verbesserte Wundheilung sowie die komplette Abheilung der Wunde. Dazu müsse die Kompression individuell angepasst und die Behandelten bei der Entscheidung einbezogen werden. MAK seien zwar teurer, würden jedoch von den Patient*innen häufig besser angenommen als ein Kompressionsverband, da diese durch das richtige Bandagieren überfordert seien.
Über 250 Teilnehmer*innen waren in Präsenz und online mit dabei. Die wissenschaftliche Leitung kündigte das 8. Phlebologische Symposium für 4. November 2023 in Hannover an.