Derartige Modelle sind nach wie vor für den Designprozess unerlässlich, da nur diese eine möglichst originalgetreue Wiedergabe des zukünftigen Autos ermöglichen und es einer größeren Personengruppe erlauben, gemeinsam am Modell über einzelne Gestaltungselemente zu diskutieren. Allerdings erfordert die Anfertigung der Modelle viel Zeit und Geld. Daher führen nachträgliche Änderungsvorschläge zu kostspieligen Neuanfertigungen. Ein besonderes Problem ist überdies die Abbildung technischer Details wie neuer Scheinwerferformen, Zierleisten oder Varianten von Felgen, da jedes Mal sehr aufwändige Prototypen hergestellt und am Modell angebracht werden müssen.
Aus diesem Grund haben Mitarbeiter des Virtual Designteams von Porsche zusammen mit den Grafikspezialisten des Pforzheimer Mediendienstleisters Meyle+Müller und den Software-Entwicklern von medialesson vor einigen Monaten damit begonnen eine tiefgreifende technische Evaluation durchzuführen mit dem Ziel, den Design-Prozess signifikant zu beschleunigen bei gleichzeitiger hoher Kosteneinsparung. Im Rahmen der hierzu begründeten Technologiepartnerschaft wurden Mixed Reality Applikationen entwickelt, die sich die besondere Wirkungsweise der Microsoft HoloLens zu Nutzen machen. Durch das klare Visier der Brille sieht der Benutzer die ihn umgebende Realität unverändert, allerdings erweitert um holografische Elemente. Dadurch wird es möglich an einem realen Clay-Modell Design-Varianten zu visualisieren.
Ein hierbei für Porsche sehr wichtiges Feature war das markerfreie Erkennen und Verfolgen der Lage des Modells im Raum. Nachdem ein Benutzer die Brille aufgesetzt hat, „findet“ die HoloLens praktisch das Auto bzw. dessen Modell an einem beliebigen Ort im Raum und identifiziert es anhand vorher trainierter optischer Merkmale auf Basis von CAD-Daten. Alle weiteren holografische Objekte können nun exakt an diesem Modell appliziert werden. Hierbei sind an dem Modell keinerlei Markierungen angebracht. Zur Umsetzung haben die medialesson-Entwickler das Model Tracking einer Komponente von Vuforia genutzt.
Überdies können mehrere „HoloLens-Brillenträger“ gemeinschaftlich holografische Objekte an dem Auto anbringen und diese betrachten (Sharing). Per Sprach- oder Gestensteuerung werden Fahr- oder Motorgeräusche eingespielt, Audio-Notizen im 3D-Raum erstellt oder mittels „Röntgenblick“ verborgene Objekte, wie z.B. Motor oder Antriebsstrang, visualisiert (X-Ray Vision). Gerade dieses Feature ist von großer Bedeutung, wenn es darum geht Design-Entscheidungen auf ihre technische Machbarkeit zu überprüfen wie zum Beispiel den Platzbedarf von Antriebs- oder Motorkomponenten. Diese sind im Clay-Modell ohne die holografische Einfügung nicht sichtbar, während nun in der Diskussion überprüft werden kann, welche Spielräume für Änderungen überhaupt bestehen. Auch ist es nun möglich holografisch eingeblendete Schweinwerfer nicht nur in Bezug auf ihre Form, sondern auch auf ihre Leuchtentwicklung im Betrieb und der Wirkung unterschiedlicher Lichtgrafiken zu untersuchen.
Eine große Herausforderung in Bezug auf die erforderliche Darstellungsgenauigkeit in den holografischen Apps war die Visualisierung von Design-Varianten, die Darstellung der das Fahrzeug umströmenden Luftbewegungen und die Umsetzung sogenannter „Spectator Views“, in der die Teilnehmer nicht nur ihre eigene subjektive Sicht, sondern auch eine Art „Draufsicht“ von einem anderen Standort mitverfolgen können. Der umgesetzte Prototyp ist das Ergebnis echter Team-Arbeit: Aus der Porsche-Entwicklung in Weissach kamen die inhaltlichen Vorgaben der Use Cases und Best Practices für die Workflow-Umsetzungen. Die Pforzheimer Medien-Spezialisten von Meyle+Müller haben die für die HoloLens optimierten 3D-Modelle geliefert und das Software-Entwicklerteam von medialesson hat die Applikationen in Unity umgesetzt.
Pablo Kern, Senior Director Sales bei Meyle+Müller, resümiert: „Eine besondere Herausforderung waren vor allem die hohen Anforderungen von Porsche an die Qualität der 3D-Modelle. Hier mussten wir eine steile Lernkurve einbringen, um die hohen Erwartungen der Designer im Einklang mit den technischen Möglichkeiten der HoloLens zu erfüllen.“ Philipp Bauknecht, CEO von medialesson ergänzt: „Auch wenn wir selbst von einem Prototyp sprechen, ist das Erreichte weit mehr als eine gute Demo. Diese Anwendungen werden bei Porsche im Design-Prozess in der Praxis genutzt werden.“