Die Mitglieder des Münchner Kreises identifizierten drei zentrale Herausforderungen für die Teilhabe am digitalen Zeitalter. Danach muss die Einführung einer IT-Infrastruktur äußerst billige Internetzugänge ermöglichen. Außerdem müssen die angebotenen Dienste auf die Bedürfnisse des individuellen Geschäftsverkehrs in den weniger entwickelten Volkswirtschaften zugeschnitten sein. Und schließlich müssen die Dienste- und Infrastrukturanbieter völlig neue Geschäftsmodelle entwickeln, die die Mechanismen der jeweiligen Wirtschaftsordnungen berücksichtigen. Hierzu gehört auch die Einbeziehung von so genannten Micro-Banking-Services und von Diensten des Gesundheits- und Bildungswesens sowie von Behördendienstleistungen.
Viele Länder Asiens, Lateinamerikas und Afrikas, aber auch Osteuropas und des Mittleren Ostens haben derzeit noch eine sehr geringe Breitbanddurchdringung von ein bis zwei Prozent. Vor diesem Hintergrund beschrieb Jean-Marc Cannet von Alcatel-Lucent einige praktische Ansätze der Nutzbarmachung von Informations- und Kommunikationstechnologie in weniger entwickelten Märkten. So vereinten vielerorts so genannte Breitband-Community-Center die wichtigsten Qualitäten eines effizienten IT- und Onlineangebots. In mittleren und kleinen Städten werden diese Center meist stationär als Telecenter, Informationskioske oder Internet Cafes betrieben, während sie im ländlichen Raum als mobile Center in Bussen oder Dreirädern die Bevölkerung versorgen. Laut Prof. Gary Marsden von der Universität Kapstadt zeigt sich nicht zuletzt am Beispiel dieser mobilen Breitband-Community-Center, dass in Entwicklungs- und Schwellenländern aus bestehenden Technologien oft völlig neue Geschäftsmodelle und IT-Designs entstehen.
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Public-Private-Partnerschaft stellte Christian Merz von SAP vor. In Südafrika engagiert sich SAP gemeinsam mit dem Merake Institute auf der Ebene kleiner Unternehmen und so genannter Micro Enterprises, um die lokale Wirtschaft mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie zu unterstützen. „Die geförderten Einkaufs-Kooperativen veranschaulichen exemplarisch, wie die Lücke zwischen den vielen kleinen, informellen Einzelhändlern in den ländlichen Bereichen und den etablierten Großhändlern und Lieferanten geschlossen werden kann. Mit Hilfe von so genannten Infopreneurs und einer IT-Lösung, die einen Bestellprozess per SMS unterstützt, konnten wir hier virtuelle Kooperativen auf die Beine stellen, die in puncto Effizienz weit über die bisherige Praxis hinaus gehen. Wir haben dabei Softwarearchitekturen und Geschäftsmodelle entwickelt, die mit limitierter Bandbreite, mangelhafter Onlineverbindung und Stromausfällen zurechtkommen. Solche Systeme fördern die Entwicklung auf lokaler und regionaler Ebene. Sie ermöglichen aber auch Investoren die Erschließung völlig neuer und sehr interessanter Kundengruppen“.
Frank Oehler von Nokia Siemens Networks stellte auf der Konferenz die Vorteile des so genannten Cloud Computings für Entwicklungs- und Schwellenländer vor. „In einigen Regionen der Welt existieren bereits gut funktionierende Beispiele dafür, wie Cloud Computing das Geschäfts- und Dienstleistungsgefüge verändert. So verwenden einige afrikanische Krankenhäuser bereits leicht zugängliche, cloudbasierte Systeme zur Handy-Übermittlung lebensnotwendiger medizinischer Instruktionen an Ärzte und Patienten. In einigen chinesischen Städten nutzen Unternehmer cloudbasierte Infrastrukturen zur Unterstützung ihrer Geschäftsprozesse“, so Oehler. Schließlich erklärte Kazi Islam, Vorstandsvorsitzender von Grameen Solutions in Bangladesch, wie Kleinstfinanzierer in asiatischen und lateinamerikanischen Ländern auf so genannte Backend-Services mit cloudbasierter Prozesssteuerung zurückgreifen. „Mit Cloud Computing können Entwicklungsländer ganze Generationen herkömmlicher Informationstechnologie überspringen und damit ein Umfeld schaffen, in dem Fortschritt nachhaltiger, schneller und billiger erzielt wird“, resümierte Prof. Arnold Picot, Vorstandsvorsitzender des Münchner Kreises.