Software entwickelnde Unternehmen sehen sich mit einer wachsenden Flut europäischer Patente auf grundlegende Software-Ideen und softwarebezogene Geschäftsmethoden konfrontiert. Obwohl das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) derartige Monopolansprüche untersagt, erteilte das Europäische Patentamt (EPA) bereits zehntausende Softwarepatente unter dem Tarnbegriff "computerimplementierte Erfindungen". Inhaber dieser Patente sind überwiegend japanische und amerikanische Großunternehmen.
Dr. Dirk Bisping, Vorsitzender des Berufsverbandes Selbständige in der Informatik (BVSI), betrachtet die Entwicklung mit großer Sorge: "Das primäre Interesse unserer Mitglieder ist, dass sie die von ihnen geschriebenen Programme ohne Einschränkung verwerten können. Der seit Jahrzehnten bewährte Urheberrechtschutz bietet uns eine angemessene Absicherung des geistigen Eigentums unserer Unternehmen. Softwarepatente hingegen untergraben den Urheberrechtsschutz durch Aushöhlung der Verwertungsrechte der Entwickler. Hinzu kommt eine existenzbedrohende Rechtsunsicherheit durch unkalkulierbare Haftungsrisiken bei versehentlicher Patentverletzung. Europa täte gut daran, seinem vielgepriesenen Jobmotor die Monopolisierung der Branche durch Softwarepatente zu ersparen".
Nicht nur Entwickler, auch gewerbliche Anwender haben ein vitales Interesse an patentfreier Software. Zunehmender Beliebtheit erfreut sich besonders Open Source Software: "Mittlerweile setzt fast jedes der kleinen und mittelständischen Betriebe in Europa quelloffene Software ein, Tendenz steigend. Und dies vermehrt in sensiblen Bereichen, wie der Trend zu Open Source in der Automationsbranche zeigt. Softwarepatente und sich daraus ergebene Monopole sind mit dem Entwicklungskonzept von Open Source Software natürlich unvereinbar", erläutert Elmar Geese, erster Vorsitzender des LINUX-Verbandes.
Vor diesem Hintergrund protestierte der LINUX-Verband bereits im vergangenen Dezember entschieden gegen die Schirmherrschaft von Bundesjustizministerin Zypries für den Microsoft-Wettbewerb "Die Idee". Auf einer Veranstaltung zum "Tag des geistigen Eigentums" des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) will die Ministerin am 26. April Preise an Initiativen verleihen, die sich "in besonderer Weise für den Schutz geistigen Eigentums stark gemacht" haben. "Mit dieser Kampagne sollen letztlich die Softwarepatente Microsofts und anderer Big Player hoffähig gemacht werden. Dass die Rechtmäßigkeit dieser Patente in Europa hochumstritten ist, wird verschwiegen", so Geese. "Microsoft drohte bereits mehrfach, seine Patentarmada gegen Linux einzusetzen. Dass sich die Justizministerin für eine derartige Kampagne hergibt, ist ein Unding. Die Ministerin sollte sich statt für die Bevorteilung amerikanischer Konzerne für den Schutz europäischer KMU einsetzen."
Um die Allianz gegen Softwarepatentierung zu stärken, hat sich der LINUX-Verband entschieden, die Unternehmerinitiative patentfrei.de zu unterstützten. patentfrei.de wird von über 700 deutschen Unternehmen sowie Verbänden vorwiegend aus den Sektoren IT, Softwareentwicklung und Automation getragen. Johannes Sommer, Hamburger Vertreter der Initiative, betont: "Mittlerweile scheint sogar die Bundeskanzlerin der Mär von der angeblichen Beschädigung der europäischen Wirtschaft ohne Patente auf Software auf den Leim zu gehen. In Wirklichkeit benötigt unsere softwarebasierte Wissensgesellschaft aber nichts dringender als einen effektiven Schutz vor der Monopolisierung ihrer Grundlagen." Ein europäisches EPLA-Patentgericht, das mit der Europäischen Patentorganisation verflochten ist, wird von der Initiative wegen der zu erwartenden Legitimierung von Softwarepatenten entschieden abgelehnt. Es bestehe vielmehr verstärkter Bedarf an einer unabhängigen, kritischen Rechtssprechung.
Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und des europäischen Mittelstands-Dachverbandes CEA-PME, bekräftigt die Position der Unternehmer: "Wir befürworten Patente, die dazu dienen, technische Innovationen zu fördern und Erfindungen vor Plagiaten zu schützen. Wenn aber selbst mathematische Logiken und allgemeingültige Geschäftsabläufe unter pseudotechnischen Vorwänden patentierbar werden, dann wird die Entwicklung von Computersoftware in Zukunft nur noch in den Händen weniger Konzerne liegen." Durch Patente auf Software würden hochmotivierte, kreative Mittelständler im IT-Sektor der Verwertungsrechte an ihren eigenen Entwicklungen beraubt, warnt der Mittelstandspräsident. "Das Resultat ist neben teurerer, schlechterer Software der Verlust von zahllosen Arbeitsplätzen. So wird der scheinbare Schutz geistigen Eigentums zum geistigen Eigentor, mit negativen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft", so Ohoven.
Links:
Internetseite des Berufsverbandes Selbständige in der Informatik
www.bvsi.de
Internetseite des Linux-Verbandes
www.linux-verband.de
Internetseite von patentfrei.de / Unternehmer gegen Softwarepatentierung
www.patentfrei.de
Internetseite des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft
www.bvmw-online.de
Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem "European Patent Forum" der
EPO am 18.04.2007
www.bundesregierung.de/...
Gemeinsame Erklärung gegen Softwarepatentierung von patentfrei.de
www.patentfrei.de/...
Positionspapier von patentfrei.de zum EPLA
www.patentfrei.de/...