Wenn nach Bombenanschlägen, extremen Unwettern oder anderen Katastrophen Polizei, Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz oder Technisches Hilfswerk kooperieren, müssen Akteure in kurzer Zeit wichtige Entscheidungen treffen und sich abstimmen. Fehler in der Absprache zwischen Behörden verschiedener Bundesländer und denen europäischer Nachbarstaaten können gravierende Folgen haben.
„Aus Untersuchungen wissen wir, dass Organisationen im Krisenfall gut aufgestellt sind. Hier gibt es meist klare Vorgaben zu Handlungsabläufen. Jeder weiß, was er zu tun hat“, sagt Professor Gordon Müller-Seitz, der an der Technischen Universität Kaiserslautern zum Fachgebiet Strategie, Innovation und Kooperation forscht. Solche Strukturen sind in einzelnen Organisationen gut untersucht. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von High-Reliability, auf Deutsch hohe Zuverlässigkeit. „Anders sieht es aber aus, wenn sie mit anderen Partnern zusammenarbeiten müssen“, sagt Erstautor der Studie Olivier Berthod, der zur Organisationstheorie an der Freien Universität Berlin forscht.
Wie solche Kooperationen zwischen Behörden und anderen Einrichtungen im Optimalfall ablaufen sollten, haben die beiden Forscher mit ihren Kollegen Professor Jörg Sydow, ebenfalls Freie Universität Berlin, Michael Grothe-Hammer sowie Jörg Raab, Tilburg University in den Niederlanden, untersucht.
Im Fokus ihrer Arbeit lagen die Abläufe der Feuerwehr Düsseldorf. Dazu befragten die Wissenschaftler Beteiligte und begleiteten Einsätze und Arbeitsprozesse über zwei Jahre hinweg. Die Feuerwehr Düsseldorf hat bereits vor Jahren mit anderen Behörden und Einrichtungen Verfahren entwickelt, mit denen sie bei Großveranstaltungen, aber auch in Katastrophenfällen gut gerüstet ist und handlungsfähig bleibt.
Die Beteiligten setzen hier auf zwei verschiedene Vorgehen. „Bei großen Veranstaltungen wie Fußballspielen oder Konzerten findet zuvor ein runder Tisch statt, bei dem sich alle Akteure austauschen. Hier können sie das gemeinsame Vorgehen planen, aber zum Beispiel auch Bedenken äußern“, hebt Müller-Seitz hervor. „Das Ganze hat eher einen informellen Charakter. Wir sprechen hierbei von einem unterstützenden Steuerungsmodell“, sagt Berthod.
Bei anderen Großeinsätzen wie einem Großbrand oder der Räumung einer Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg greift ein anderes Verfahren, das die Forscher „bestimmendes Steuerungsmodell“ genannt haben. „Es gibt klare hierarchische Strukturen, ein bis zwei Behörden haben das Sagen, andere Beteiligte haben eine beratende Funktion“, erklärt Berthod. Bei Fällen wie dem Fund von Fliegerbomben hat die Feuerwehr das Kommando. Sie informiert zum Beispiel die Polizei, welche Straßen gesperrt werden und wo Anwohner ihre Wohnungen verlassen sollen. Bei Kriminalfällen entscheidet hingegen die Polizei über das Vorgehen.
Diese beiden Modelle bewähren sich bei der Feuerwehr Düsseldorf und ihren Partnern seit Jahren. „Hier arbeiten gut eingespielte Teams miteinander, die je nach Situation auch schnell von dem einen in den anderen Modus wechseln können“, konstatiert Müller-Seitz. Bei der genauen Analyse dieser Strukturen haben die Wissenschaftler festgestellt, dass insbesondere das Miteinander bei den Beteiligten eine Rolle für den reibungslosen Ablauf in Großeinsätzen spielt. „Das soziale Gefüge passt. Durch regelmäßige Treffen, Telefonate oder E-Mails kennt man sich untereinander und ist gut vernetzt. Das hilft vor allem in stressigen Situationen“, sagt Berthod.
Anderen Einrichtungen und Behörden empfehlen die Forscher, ebenfalls solche Strukturen aufzubauen. „Solche Verfahren sind nicht überall üblich. Das Beispiel in Düsseldorf zeigt aber, wie es klappt, dass Behörden äußerst zuverlässig zusammenarbeiten“, sagt Müller-Seitz.
Die Studie ist in der weltweit führenden Fachzeitschrift „Journal of Public Administration Research and Theory“ erschienen: „From High-Reliability Organizations to High-Reliability Networks: The Dynamics of Network Governance in the Face of Emergency”. Olivier Berthod, Michael Grothe-Hammer, Gordon Müller-Seitz, Jörg Raab, Jörg Sydow.
doi:10.1093/jopart/muw050
Michael Grothe-Hammer forscht mittlerweile an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Zum Zeitpunkt der Studie war er noch an der Freien Universität Berlin tätig.