Mit der Kundenorientierung geht eine stetig wachsende Variantenvielfalt bei gleichzeitig sinkenden Stückzahlen bzw. kleineren Losgrößen einher. Dies stellt insbesondere Fertiger heute vor enorme Herausforderungen, wie Dr. Christian Riethmüller, Senior-Berater bei RiConsult und renommierter Fachautor im Business Software Umfeld, weiß. „Hohe Rüstkosten, Abweichungen zwischen Vor- und Nachkalkulation, ungenaue Lieferzeiten, Fehlkonstruktionen und -bestellungen oder die aufwändige Datenpflege machen das Tagesgeschäft oftmals zum Krisenmanagement. Immer mehr Unternehmen sehen sich einer wachsenden Datenflut gegenüber, deren Analyse, Erfassung, Bearbeitung und Archivierung zunehmend kostbare Ressourcen verschlingt. Hinzu kommt, dass die Systeme vieler dieser Unternehmen ohnehin bereits an mangelnder Stammdatenqualität kranken. Trotz wachsender Datenmenge nimmt die Konsistenz und Vollständigkeit der Stammdaten gar immer weiter ab und Automatismen in der Datenverwaltung und -weiterverarbeitung greifen ins Leere. Die zunehmende Variantenvielfalt potenziert dieses Problem nochmals, zumal die Betriebe mit ihrer heutigen Systemlandschaft diese Entwicklung oftmals nur durch zusätzliche Ressourcen bewältigen können. Abhilfe schaffen hier neben einem effektiven Stammdatenmanagement letztlich nur intelligente Konfigurationslogiken, die sich über Kalkulation und Vertrieb sowie die Einkaufs- und Fertigungsprozesse erstrecken und die Datenkomplexität spürbar verringern.“
Konfigurationsroutinen und Baukastensysteme
Um den Kunden Produkte anzubieten, die den individuellen Anforderungen auch bestmöglich gerecht werden, setzen immer mehr Unternehmen auf innovative Plattformkonzepte und Baukastensysteme, bei denen auf Grundlage eines Basisartikels zusätzliche Sachmerkmale und/oder Funktionalitäten nach Kundenbedarf als Add-On erworben werden können. Damit wollen Unternehmen die Variantenvielfalt, die anfallenden Datenmassen und Produktbeschreibungen der zahlreichen Modell- bzw. Ausstattungsvarianten sowie widerspruchsfreie Produktkonfigurationen wieder beherrschbar machen.
„Jedoch ist es mit der Integration eines Variantenkonfigurators noch nicht getan, denn die Kalkulations-, Planungs- und Fertigungsprozesse sind in einer variantenorientierten Fertigung, Einzel- oder Auftragsfertigung wesentlich aufwändiger als in der Serienfertigung. Vertrieb, Konstruktion, Fertigung sowie das Controlling müssen optimal aufeinander abstimmt werden, um frühzeitig zu ermitteln, ob diese oder jene vom Kunden gewünschte Variante technisch überhaupt umsetzbar ist, in welchem Zeitrahmen sie realisiert werden kann und ob sie sich für den Betrieb überhaupt rechnet“, gibt Ulrich Meyhöfer, Branchenkenner und Consultant bei dem ERP-Spezialisten für Variantensoftware VLEXsoftware+consulting gmbh, zu bedenken. Möchte ein Unternehmen sein komplettes Produktportfolio in einem klassischen Warenwirtschaftssystem abbilden, so müsste es quasi für jede mögliche Produktvariante einen eigenen Artikel samt Artikelnummer, Artikelstammdaten, Artikelbeschreibung, Preiskalkulationen, Stücklisten und Arbeitsplänen anlegen und pflegen. „Der Aufwand für Datenpflege und Verwaltung kann hier schier ins Uferlose gehen, zumal zwischen den Sachmerkmalen und Sachmerkmalsausprägungen der Varianten oftmals zahlreiche Abhängigkeiten (constraints) und mehrdimensionale Bedingungen zu berücksichtigen sind. Mit der zunehmenden Komplexität dieser Prozesse stoßen daher auch die oftmals über Jahre gewachsenen Systemlandschaften an ihre Grenzen“, so Meyhöfer.
Übergreifende Variantenlogik
Viele Fertigungs- und Großhandelsunternehmen verfügen heute bereits über viele Tausend Basisartikel und Abertausend Artikelvarianten. Diese lassen sich jedoch langfristig nur effektiv mit integrierten Produktentwicklungs- und Engineeringprozessen sowie einer durchgängigen Variantenlogik managen, die sich über das gesamte Angebots- und Auftragswesen sowie die Produktions- und Einkaufsprozesse erstreckt. Bei mangelnder Integration treten Fehler meist schon in der Angebotsphase auf – etwa weil ein Kundenwunsch aus technischen Gründen nicht umsetzbar ist oder die benötigten Zukaufteile eine längere Lieferzeit haben, als im Angebot zugesichert wurde.
Indem den Basisartikeln mit Hilfe vollständig in die kaufmännischen Bereiche integrierter Variantenkonfiguratoren individuell definierbare Merkmale und Merkmalsausprägungen zugeordnet werden, lassen sich die komplexen Artikelstammdaten strukturieren und für alle weiteren Prozesse mit Hilfe des zugrundeliegenden Konfigurationsregelwerkes effektiv nutzen. Durch diese Zuordnung von Merkmalen und Merkmalsausprägungen zu Basisartikeln können bei Variantenfertigern oder Großhändlern vormals 100.000 Produkte in nur wenige Grundmodule zusammengefasst werden - zugehörige Variantenstücklisten und Arbeitspläne werden dabei aus den versioniert gespeicherten Baukästen unter Einbeziehung der ausgeprägten Variantenmerkmale automatisch erzeugt. Ein strategisches Controlling des gesamten Variantenmanagements und erweiterte Kalkulationsmöglichkeiten stellen sicher, dass die Variantenkosten verursachergerecht ermittelt werden und Unternehmen stets den Überblick bei der Planung, Steuerung und Überwachung ihrer komplexen Auftrags- und Fertigungsprozesse behalten.
Güte der Konfigurationssysteme von verschiedenen Faktoren abhängig
„Neben der strukturellen Integration in Einkauf, Produktion sowie in Kundenangebot und -auftrag hat die Flexibilität des Konfigurations-Regelwerkes für die Unternehmen eine elementare Bedeutung. Bei der Auswahl eines geeigneten Systemes sollten Unternehmen ebenfalls darauf achten, dass der Anwender im Konfigurationsprozess durch Automatismen und abgeleitete Vorbelegungen unterstützt wird. Gute Konfiguratoren verfügen zudem über ein integriertes Fehlerhandling mit möglichst genauen Fehlermeldungen, um in den komplexen Konfigurations-Strukturen gezielt mögliche Fehlerquellen zu identifizieren. Mit Hilfe von iterativen Testverfahren können etwa Regel- und Reihenfolgefehler zwischen Kunden- und Produktionsauftrag mit Stückliste und Arbeitsplan offengelegt werden“, fügt Dr. Riethmüller an.